Schatten eines Gottes (German Edition)
dieser den Templer vor, »Octavien, sein Neffe, hat ihn begleitet, um etwas zu lernen, wenn kluge Männer wichtige Dinge erörtern.«
Die Ironie in der Stimme des Abtes musste er sich eingebildet haben, dachte Emanuel, während er den jungen Octavien und dessen Onkel mit einem kurzen Nicken und einem gemurmelten ›Willkommen im Namen des Herrn‹ begrüßte. Etienne gab das Nicken zurück, Octavien zupfte mit spitzen Fingern ein welkes Blatt von seinem Rock und schenkte dem ärmlichen Mönch keine Beachtung.
Wer hat den Templer zu diesem Treffen eingeladen?,
überlegte Emanuel.
Und wer seinen überheblichen Neffen?
Als hätte Nathaniel Emanuels Gedanken erraten, sagte er: »Mein Freund ist als Beobachter hier und soll den Brüdern bei auftauchenden Fragen hinsichtlich der Situation in Outremer beratend zur Seite stehen.«
Bei Gott dem Allmächtigen,
dachte Emanuel,
die Brüder brauchen doch keine Beratung, sie haben den Heiligen Geist und ihre Pfründe,
doch er schwieg und wartete darauf, was der Abt von ihm wollte.
»Vergebt mir meine Aufdringlichkeit und meine Neugier Bruder. Wie kam es, dass man Euch und Euren Ordensbruder ausgewählt hat, an diesem Treffen teilzunehmen? Denn wahrlich, Ihr könnt unmöglich schon den Rang eines Abtes bekleiden.«
Und dieser Jungspund von Neffe ist höchstens ein Knappe,
dachte Emanuel verdrießlich. »Abt Hermann von Altenberg selbst hat uns damit betraut. Die minderen Brüder zu Köln haben noch keinen Abt gewählt, Bruder Bernardo ist ihr Oberhaupt, führt jedoch keinen Amtstitel.«
»Und Ihr, Bruder Emanuel?«
»Ich betreue und berate den neuen Orden zurzeit in Köln. Mein Mutterkloster jedoch ist Altenberg.«
»Aber hier leben Zisterzienser.«
»So ist es. Ich stehe den minderen Brüdern vorübergehend in organisatorischen Fragen zur Verfügung und trage gern ihre bescheidene Kutte, um so den Respekt für ihren Lehrer auszudrücken und um Bruder Bernardo zu unterstützen.«
Nach einer winzigen Pause fügte er hinzu: »Mit Erlaubnis des Bischofs.«
Nathaniel nickte nachdenklich. »Ihr seid ein leuchtendes Vorbild in der Nachfolge Christi. Euer Vorstoß mit dem Kreuzzug der Kinder war mutig, nein, er war kühn. Auf den ersten Blick ein abwegiger Gedanke und doch, welch ein Gedankengebäude!«
»Nicht mir allein gebührt die Ehre, Bruder Bernardo …«
Noch ehe Emanuel den Satz beenden konnte, läutete die Glocke zum Essen. Emanuel war froh über diese Unterbrechung, denn der Kartäuser war ihm zu neugierig, der Templer zu grobschlächtig und sein junger Neffe zu hochnäsig. Andererseits hatte der Kartäuser ihn während der Diskussion unterstützt, da hatte er nicht unhöflich sein wollen.
***
Im Kloster gab es eine kleine, halb verfallene Kapelle, die von den Mönchen nicht mehr aufgesucht wurde. Nathaniel, sein Freund Etienne, dessen Neffe Octavien und der Abt Heinrich von Kronberg aus Fulda, ein kleiner rundlicher Mann mit gutmütigem Gesicht, hatten sich nach dem Vespergottesdienst hier eingefunden, um sich ungestört über die Debatte auszutauschen.
Etienne de Saint-Amand, Enkel eines der Gründer des Tempelordens, wackelte vorsichtig an einer wurmstichigen Bank, bevor er seinen mächtigen Hintern darauf fallen ließ. Da die Bank ihn trug, wagte es auch der Abt von Kronberg, sich darauf niederzulassen. Nathaniel zog es vor, stehen zu bleiben, eine aufrechte Position erschien ihm stets am würdevollsten.
Octavien rümpfte die Nase und blieb in der Nähe der Tür stehen. Wo es möglich war, vermied er es, sich in der Nähe seines Onkels aufzuhalten, der seiner Meinung nach einen strengen Geruch verströmte. Außerdem passte er auf, dass sein fleckenloser Mantel mit nichts in dieser verstaubten Kapelle in Berührung kam.
»Weiß nicht, was das Geplärre der Braunkutten sollte«, brummte Etienne und wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab. »Bekehrung durch Liebe und ein paar Rotznasen. Könnte mir nicht vorstellen, wozu das gut sein könnte. Mit so einer Veranstaltung handeln wir uns allenfalls den Spott der Sarazenen ein. Das gesamte Morgenland würde über uns lachen.«
»Ich bin deiner Meinung, Onkel«, mischte sich Octavien ein. Mit hochgezogenen Brauen und zuckenden Nasenflügeln drückte seine Miene äußersten Widerwillen aus. »Ich fand den Beitrag dieser – Bettelbrüder einfach lächerlich, wenn nicht gar ungezogen.«
Etienne warf seinem vorlauten Neffen einen missbilligenden Blick zu.
»Octavien hat recht«, sagte Abt Heinrich. »Nicht nur
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