Schatten eines Gottes (German Edition)
abgestiegen. Ich meine, dort müssen wir mit der Suche beginnen.«
Während Etienne der Sache weiterhin nichts abgewinnen konnte, sprach Nathaniel dem jungen Octavien Mut zu. »Lass dich nicht aufhalten. Wenn du von einer Sache überzeugt bist, dann gehe ihr nach und führe sie bis zum Ende. Es kommt nicht so sehr auf das Ergebnis an. Es ist wichtig, dass du es versucht hast.«
Der Auftrag
Greta, die Frau des Köhlers, erwartete ihr achtes Kind. Gewöhnlich machte sie nicht viel Aufhebens um eine Geburt, sie legte sich einfach ins Bett und trennte später selbst die Nabelschnur durch. Doch diesmal hatte sie große Schmerzen, und das Kind wollte einfach nicht kommen. Ihr Mann verstand nicht, weshalb seine Frau diesmal so ein Spektakel veranstaltete. Um ihrem Gewimmer zu entgehen, hatte er sich zu seinem Kohlenmeiler davon gemacht. Als Greta es nicht mehr aushielt, schickte sie Adam, ihren ältesten Sohn, er solle in die Stadt laufen und eine Wehfrau holen.
»Wir können doch gar keine bezahlen«, stotterte der Halbwüchsige erschrocken. Mit großen Augen starrte er auf die Mutter, die sonst nie jammerte und widerstandsfähig war wie eine Ackerdistel.
»Nichtsnutziger Bengel, lauf!«, schrie sie, während sie sich schweißüberströmt auf ihrem dreckigen Strohsack wälzte. »Ist das Balg erst da, sehen wir weiter. Jesus! Es wird mich noch umbringen!«
Die Schreie seiner Mutter machten ihm Beine. Er rannte los, den ausgetretenen Holzpfad entlang, den alle Köhler benutzten, um die Landstraße nach Aachen und Köln zu erreichen, von dort ging es über gekrümmte Feldwege an Weinbergen und Kornfeldern vorbei, bis Kölns Türme in der Ferne auftauchten. Keuchend und verschwitzt erreichte Adam das Hahnentor. Torwächter mit ihren Spießen lümmelten gelangweilt an der Wand. Als sie den rußbedeckten Knaben mit dem verfilzten Haar aufhalten wollten, stieß Adam kurzatmig hervor: »Meine Mutter – das Kind – es will nicht heraus!«
»Das fürchtet sich wohl vor dir«, spottete ein junger, schlaksiger Kerl und musterte den schmutzigen Knaben, der wie ein Waldtroll aussah. Sein Gefährte lachte, fügte jedoch gutmütig hinzu: »Suchst du eine Hebamme? Die Buber-Anne wohnt gleich hier um die Ecke am Wallgraben, musst nur nach ihr fragen.«
Adam schlüpfte durch den dunklen Torbogen und fand sich von düsteren Schluchten umzingelt, die sich in alle Himmelsrichtungen verzweigten und den weiten Himmel in schmale Streifen unterteilten. Er wagte es nicht, in sie einzudringen. Menschen, Tiere und Fuhrwerke wimmelten wie Ameisen durcheinander. Ein paar Kinder zeigten auf ihn. »Der schwarze Mann!«, rief ein Junge. Dann stoben sie auseinander. Adam wollte nach der Hebamme fragen, aber er hatte ihren Namen vergessen. Bevor seine Zunge Worte bilden konnte, waren die Leute schon weitergegangen. Wohin gingen sie? Wohin strömten sie? Ein Ochsenkarren streifte ihn und wäre ihm beinah über die Füße gerollt. Adam machte einen erschrockenen Satz zur Seite und fiel über ein Schwein, das ein Junge vor sich hertrieb, der Länge nach in die Gosse. Adam vernahm lautes Gelächter, da rumpelte schon der nächste Karren heran, gezogen von einem trübsinnig dreinblickenden Esel. Adam gelang es gerade noch, sich zur Seite zu rollen, dann sprang er auf und flüchtete sich an eine Hauswand.
Sein Herz hämmerte vor Furcht. Er würde die Frau niemals finden, und die Mutter würde sterben, weil er so ein Nichtsnutz war. Weinend kauerte er sich am Straßenrand zusammen und verbarg das Gesicht in den Händen.
»Kann ich dir helfen?«
Adam hob sein tränenverschmiertes Gesicht. Vor ihm stand ein Junge seines Alters mit sauberen Kleidern und einem freundlichen Lächeln. Sein Blick war voller Wärme. Unbeholfen fuhr sich Adam mit den Fäusten über das Gesicht, um die Tränen abzuwischen, was breite schwarze Schlieren auf seinen Wangen hinterließ. Warum wurde ihm plötzlich so sonderbar? Alle Furcht wich von ihm, wie damals, als er noch klein war und die Mutter ihm ihr seltenes Lächeln geschenkt hatte.
»Meine Mutter erwartet ihr achtes Kind, aber es kann nicht heraus. Sie hat große Schmerzen und hat mich nach einer Wehfrau geschickt.«
»Woher kommst du?«
»Aus dem Totenmannsgrund. Mein Vater hat dort seine Köhlerhütte.«
»Ach, das ist weit. Dann müssen wir uns beeilen. Die Buber-Anne wohnt gleich hinter diesem Torweg. Komm, ich bringe dich hin.«
***
Die Buber-Anne hatte das Kind, das eine Fehllage hatte, noch rechtzeitig
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