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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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außen gewandten Handflächen fiel. In ihrer Mitte befand sich ein walnussgroßer dunkler Fleck, der Nicholas an Brandmale erinnerte, so wie man sie Missetätern zur Abschreckung aufdrückte. Er stutzte und stieß ungläubig schnaufend die Luft aus. Brandmale, ja, aber niemals auf den Handflächen!
    Der Himmel, der Mond und die Sterne begannen sich plötzlich um ihn zu drehen wie ein feuriges Rad, schneller, immer schneller, dann stürzte er in die Dunkelheit.
    ***
    Durch die Buntglasscheiben schien die Morgensonne und malte farbige Tupfen auf das blütenweiße Bettzeug. Nicholas blinzelte, noch benommen von dem seltsamen Traum, der ihn im Schlaf gefangen gehalten hatte. Am Bett saß seine Tante Henriette, und als sie sah, dass er die Augen aufschlug, strich sie ihm über das Haar. »Du hast lange geschlafen mein Junge. Fehlt dir auch nichts?«
    »Hm«, machte Nicholas und rieb sich die Augen. Dann setzte er sich aufrecht und spähte in seinem Zimmer umher, als könne er einige Dinge nicht begreifen. »Tante Jettchen!«, sagte er und fasste nach ihrer Hand. »Ich habe ganz merkwürdig geträumt. Von einem Licht am Himmel, dem Herrn Jesus und einem Mönch.«
    »Das ist überhaupt nicht merkwürdig«, erwiderte die Tante mit ihrer tiefen, beruhigenden Stimme und tätschelte ihm die Hand. Sie war eine rundliche, aber resolute Frau, die sich Respekt zu verschaffen wusste, ohne laut zu werden. »Ein Mönch hat dich gestern Nacht nach Hause gebracht, du hattest bereits tief geschlafen. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Wo bist du denn gewesen?«
    »Eine Köhlerin hat ein Kind bekommen«, murmelte Nicholas. »Draußen im Totenmannsgrund.«
    Wie es der Frau jetzt wohl ging? Ihm fiel ein, dass er die Buber-Anne dort zurückgelassen hatte. Er selbst hatte sich rechtzeitig auf den Heimweg gemacht. War er unterwegs unter einem Baum eingeschlafen? Ja, so musste es gewesen sein. Der Mönch war zufällig vorbeigekommen und hatte ihn nach Hause gebracht. Deshalb hatte er von ihm geträumt.
    »Du warst doch nicht allein dort? Der Wald ist gefährlich.«
    Obwohl Nicholas auf solche Ermahnungen nicht hörte, musste sie ihrer Sorge um ihn Ausdruck verleihen. »Ich weiß, du lebst in der besonderen Gnade des Herrn, aber gerade deshalb darfst du ihn nicht herausfordern.«
    Nicholas schwang seine Beine aus dem Bett. »Ich weiß, liebes Tantchen.«
    »Soll ich Lisbeth Bescheid sagen, damit sie dir etwas Grütze mit Honig bringt?«
    Nicholas zog sich das Nachtgewand über den Kopf und schlüpfte in seinen Tagesrock, den er gewaschen und gebügelt auf einer Stuhllehne vorfand. »Nein, ich esse in der Küche.«
    »Wie du willst.«
    Henriette reichte ihm seine Strümpfe. »Weißt du«, fuhr sie plaudernd fort, »viele haben gestern Abend diese Lichterscheinungen gesehen, wenn auch niemand weiß, was sie bedeuten. Alle reden darüber. Aber viel Unsinn ist dabei, und wir beteiligen uns nicht am abergläubischen Geschwätz, so wie wir es in diesem Hause immer gehalten haben.«
    Nicholas zuckte zusammen. Wenn seine Tante das meinte, dann sollte er lieber nichts von dem Kreuz am Himmel erwähnen, auch wenn er es nur geträumt hatte. Er zog sich rasch die Beinlinge mit fester Sohle an und ging zur Tür.
    »Die alte Marte allerdings – du kennst doch die Schusterin? – also sie meinte, so etwas habe es in ihrer Kindheit auch schon gegeben«, plapperte Henriette weiter. »Alle waren damals davon überzeugt, das Ende der Welt sei angebrochen, aber heute ist sie achtzig, die Marte, und die Welt ist nicht untergegangen. Du kannst ja den guten Mönch danach fragen, vielleicht kann er dir mehr darüber sagen.«
    Nicholas nickte abwesend. Er war schon auf der Stiege, als seine Tante ihm nachrief: »Ich habe ihn in die Küche geschickt, damit er eine warme Mahlzeit bekommt. Vergiss nicht, dich bei ihm zu bedanken.«
    Nicholas fasste überrascht nach dem Geländer. »Er ist hier? Im Haus?«
    »Ja, in der Küche. Ein sehr angenehmer Mensch. Obwohl er ein Bettelmönch ist, weiß er sich zu benehmen. Ich bringe den Engel von Köln, hat er gesagt. Ja, den Engel von Köln.«
    Die Tante errötete vor Stolz, während sie das Bettlaken glatt zupfte. »Alle haben schon von deinem guten Herzen gehört, und nun wissen es bald auch die Leute anderswo. Er ist ein Wanderprediger, zieht im Land herum. Darum hat er dich auch gefunden. Ich werde heute Nachmittag in St. Alban eine Kerze für den heiligen Christophorus stiften.«
    Die Vorstellung, dem Mönch gleich

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