Schatten eines Gottes (German Edition)
dass die Welt Hilfe braucht?«
»Gottes Hilfe, ja. Nicht meine.«
»Aber Gott handelt durch die Menschen.«
Lisbeth tat beschäftigt und raffte ein Tuch vom Küchentisch. Nicholas beugte sich tiefer über seine Schüssel mit Grütze. Vom Garten herein kam Ursula, die Köchin, den Arm voller Sellerieknollen, Gurken, Gelben Rüben und Feldsalat aus dem eigenen Garten. Sie lud alles auf dem Küchentisch ab und erkundigte sich freundlich bei dem Mönch, ob er satt geworden sei und ob es ihm geschmeckt habe.
Der Mönch bejahte und bedankte sich bei ihr. Ursula verwuschelte Nicholas die blonden Strähnen. »Unser kleiner Heiliger. Sieht er nicht aus wie ein leibhaftiger Engel, Pater?«
Nicholas wehrte verlegen ihre Hand ab. »Lass das! Ich bin kein Heiliger.«
Der Mönch lächelte und schwieg. Sein vielsagender Blick streifte die beiden Küchenmädchen. Die Köchin verstand. Sie klatschte in die Hände. »Ihr da! Was steht ihr da herum und fallt dem jungen Herrn lästig, der in Muße mit unserem Gast über erhabene Dinge sprechen möchte. So was ist nicht für eure langen Ohren bestimmt. Geht in den Garten und jätet das Unkraut!«
Die beiden Mädchen gehorchten, und auch Ursula verließ die Küche, nicht ohne dem Mönch mit den heilandsmäßigen Gesichtszügen noch einen scheuen Blick zuzuwerfen.
Nicholas schaute erleichtert auf die Tür, die sich hinter den Frauen geschlossen hatte, und bemühte sich, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen.
»Es ist eine Bürde«, flüsterte er.
»Was ist eine Bürde?«
»Sie halten mich für etwas Besonderes, dabei versuche ich nur, denen zu helfen, die nicht das Glück hatten, einen wohlhabenden Kaufmann zum Vater zu haben. Wie könnte einer wie ich die Welt erretten?«
»Indem du Gleichgesinnte um dich scharst. Du musst die Menschen unter dem Banner des Glaubens um dich scharen, dann werden sie dir folgen.«
Jetzt neigte sich der Mönch zu ihm hinüber und raunte ihm mit seltener Eindringlichkeit zu: »Mache das Kreuz zu deinem Feldzeichen, trage es gegen die Feinde des Glaubens, und du wirst eine neue Welt erbauen. ›In hoc signo vinces.‹ In diesem Zeichen wirst du siegen.«
Nicholas überlief es kalt. Hatte er diesen gütigen Mann doch falsch eingeschätzt? Predigte er einen neuen Kreuzzug, nachdem die bisherigen Unternehmungen alle in ergebnislosen Blutbädern geendet hatten? Die Kreuzfahrerheere hatten nicht nur die Ungläubigen massakriert, Frauen, Kinder und Greise. Bereits auf ihren Märschen ins Gelobte Land hatten sie eine grausige Blutspur hinterlassen. Katharer und Juden hatten sie abgeschlachtet, ganze Landstriche leergemordet. Dafür wurden sie freigesprochen von jeder Sünde. Jede Scheußlichkeit, die sie noch in ihrem Leben verübten, war ihnen von vornherein vergeben. Im christlichen Konstantinopel hatten sie gehaust schlimmer als die Heiden. Vom sagenhaften Reichtum der Stadt verblendet, hatten sie die Kirchen geplündert und ihre Glaubensbrüder niedergemetzelt. Verbrechen auf Verbrechen hatten sie angehäuft, das Kreuz tausendfach besudelt und doch inbrünstig an die ewige Seligkeit für ihre Taten geglaubt.
»Unter dem Mantel des Glaubens sind schon viele Schandtaten verübt worden«, erwiderte Nicholas vorsichtig. »Mit dem Kreuz in der Linken decken sie zu, was sie mit der Rechten an Schlechtem verüben.«
Der Mönch umfasste ihm sanft die Handgelenke. »Ich habe mich nicht in dir geirrt, Nicholas Hardevust, Engel von Köln. Ja, sie haben das Kreuz tausendfach durch ihre Schandtaten befleckt, und der Papst in Rom hat ihnen dazu seinen Segen gegeben. Viele aufrichtig gläubige Christenseelen wurden durch diesen Irrtum verwundet, zerstört, zerbrochen und der Hölle anheimgegeben. Niemals hat unser Herr Jesus den Krieg gepredigt. Er sprach: ›Liebet eure Feinde, tut wohl denen, die euch verfluchen.‹ Er sagte auch: ›Gehet hin und lehret alle Völker.‹ Doch wie kann eine Lehre mit dem Schwert verbreitet werden? Können Tote bekehrt werden? Du hast die Umtriebe der Mächtigen durchschaut, du ein Knabe, ein Kind noch. Der Herr hat dich erleuchtet, Nicholas Hardevust.«
Nicholas fühlte sich von den Worten des Mönches wunderbar getröstet. Andererseits fühlte er sich keineswegs erleuchtet, nur weil er erkannt hatte, was doch offensichtlich war, dass blutige Gewalt nichts mit den Lehren Jesu Christi zu tun hatte.
»Doch wer soll die Heiden bekehren?«, fragte Nicholas zögernd. »Die allein selig machende Kirche und gewaltige Ritterheere
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