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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Stillen hinzu.
    »Ihr sagt ihm einfach die Wahrheit. Euer Bischof hat Euch das befohlen. Es wird Euch nicht schwerfallen. Octavien ist ein ehrgeiziger junger Mann und beeinflussbar wie alle Ehrgeizigen. Hat bis zur Stunde mehr oder weniger das Leben eines verwöhnten Muttersöhnchens geführt.«
    »Und wie soll ich ihn davon überzeugen, dass er einen etwaigen Fund an Euch und nicht an seinen Großmeister oder den Heiligen Vater aushändigen soll?«
    Der Bischof lief purpurrot an und hieb mit der Faust auf den Tisch. »Mönchlein! Hast du es immer noch nicht begriffen? Wenn irgendwo auf dieser Welt eine bedeutende Reliquie zutage gefördert wird, dann gehört sie nach Köln, verstehst du? Nach Köln! Und nicht in das verpestete Rom, ist das klar? Ich will sie haben! Wir haben den Schrein der Heiligen Drei Könige, wir haben die Gebeine der Heiligen Ursula und ihrer elftausend Jungfrauen, wir haben mehrere Gnadenbilder der lieben Mutter und mehrere Heilige Kreuze, wir haben – wir haben die meisten Kirchen, Köln ist größer als Rom, schöner als Rom und mächtiger als Rom. Und Köln wird auch dieses Relikt aus dem Heiligen Land bekommen, nach dem der junge Octavien de Saint-Amand sucht. Hast du das verstanden, Bruder?«
    Oh, jetzt hatte Emanuel sehr gut verstanden. Dieses geheimnisvolle Ding war des Bischofs ureigenstes Interesse. Wenn es existierte, dann hatte es sich gefälligst in Köln aufzuhalten. Noch mehr Ansehen, noch mehr Pilger, noch mehr Geld. Emanuel hatte dafür Verständnis, aber wo blieb er selbst dabei? Er konnte den Bischof kaum fragen, was für eine Belohnung ihn danach erwartete, aber er durfte annehmen, dass ihm bei Erfolg einige Türen offen standen.
    »Wo finde ich den besagten Octavien jetzt?«
    »Hört Euch um! Wie Ihr das anstellt, überlasse ich ab jetzt Eurer Klugheit und Findigkeit. Und noch etwas. Während Eures Auftrages seid Ihr vorübergehend von den Pflichten zu Eurem Kloster entbunden. Ich werde mich deshalb mit Abt Hermann ins Benehmen setzen.«
    ***
    In dieser Nacht konnte Emanuel lange nicht einschlafen. Jetzt war er also im Dienste des Bischofs unterwegs. Er sollte eine Reliquie, von der er nicht einmal überzeugt war, dass es sie gab, nach Köln bringen, sie einem adligen Junker abjagen, abschwatzen, stehlen oder was immer sich gerade ergab. Nicht, dass Emanuel kleinliche Zweifel plagten, ob er dessen auch würdig oder fähig war. Es war längst an der Zeit, dass sein Verstand diese Weihen erhielt.
    Aber hatte Abt Hermann ihn auch wirklich dem Bischof empfohlen, oder war das Ganze eine hochgefährliche Sache, bei der man einen kleinen Mönch ruhig opfern durfte, und den Essig lediglich mit Honig versetzte, damit er ihn schluckte? Wer wusste noch davon oder könnte davon Kenntnis erhalten haben? Natürlich die Tempelritter. Wenn sie tatsächlich etwas vor der Kirche verbargen, hatten sie allen Grund, den neugierigen Mönch davon fernzuhalten. Und der Papst? Es hieß, er habe seine Agenten überall. Er wäre sicher nicht erfreut über den Alleingang seines Bischofs, und der Mönch, der ihm geholfen hatte, würde nicht gerade in seiner Gunst stehen. Dieser Auftrag schien ihm nicht geeignet, ihn seinem Ziel näherzubringen. Aber dem Befehl seines Bischofs widersetzte man sich nicht.
    ***
    Auch nach der Vesper war der Schrein der Heiligen Drei Könige noch von Besuchern umlagert. Verwahrte er doch die Gebeine jener Männer, die gekommen waren, um seinerzeit das Jesuskind anzubeten. Ihre Knochen hatten eine abenteuerliche Reise hinter sich, bis sie im Karolinger Dom zu Köln ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Niemand Geringerer als Helena, die Mutter Kaiser Konstantins, hatte das Grab der Weisen in Jerusalem gefunden und den Sarg nach Konstantinopel bringen lassen. Es war nicht ihre einzige christliche Trophäe, die sie dem geheiligten Boden entrissen hatte. Sie ließ graben, suchte und fand das wahre Kreuz Christi, die wahren Nägel und die wahre Lanze. Es war wohl ihrem betagten Alter zuzuschreiben, dass sich diese wundersamen Funde nicht vermehrt hatten.
    Ein späterer Kaiser schenkte den Sarg einem Mailänder Bischof. Und als Kaiser Barbarossa gegen Mailand kämpfte und siegte, führte er die Gebeine als Siegestrophäe mit sich und schenkte sie seinem treuen Kanzler Reinald von Dassel, der gerade Erzbischof von Köln war.
    Der goldene sarggroße Schrein besaß die Form einer dreischiffigen Basilika und war rundherum mit vierundsiebzig getriebenen Figuren, geschmückt.

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