Schatten eines Gottes (German Edition)
den Einwurf Emanuels überhörend.
»Natürlich. Sie bezeichnen sich auch als ›Arme Miliz Christi‹. Ein Orden, der die Tugenden von Rittern und Mönchen vereint. Abgeleitet von ihrem ehemaligen Wohnsitz über den Ruinen des salomonischen Tempels, sind sie den Menschen als ›Tempelritter‹ bekannt.«
»Dann werdet Ihr auch wissen, dass dieser Orden gegründet wurde, um die Pilger im Heiligen Land zu schützen.«
»Das war ihre Aufgabe. Heute sind sie meines Wissens der reichste Orden in der gesamten Christenheit.«
Der Bischof lächelte schmallippig. »Die Pilger zu schützen, war nur ein Vorwand. Ich bin davon überzeugt, dass Papst Gelasius ihnen befohlen hat, die Bundeslade zu finden und heimzubringen. Damals hatte Kaiser Heinrich einen Gegenpapst ernannt und Gelasius zur Flucht gezwungen. Deshalb wollte dieser ein Machtmittel in die Hände bekommen.«
»Gab es denn Aussichten auf Erfolg?«
»Viele hatten es bereits versucht, man vermutete die Lade an hundert Orten. Auch Fälschungen tauchten auf, wirklich schlecht gemachte Fälschungen, aber die Menschen, die an die Wunderkraft eines Ziegenbartes glauben wollen, hält nichts davon ab. Und Gelasius wäre vielleicht auch mit einer Fälschung zufrieden gewesen.«
Der Bischof lachte unfroh. »Immerhin hatte Gelasius diesmal die richtigen Leute geschickt. Hugo de Payens, ein gebildeter Mann aus dem französischen Adel, ging mit sechs weiteren Rittern und zwei Zisterziensermönchen nach Jerusalem.«
»Aber sie haben die Lade nicht gefunden«, stellte Emanuel fest.
»Sie behaupten nein. Aber sie bereisten das Land und knüpften Kontakte mit den Einheimischen, um an Informationen zu gelangen.«
»Mit den Ungläubigen?«
»Ja. König Balduin von Jerusalem hatte den Rittern als Wohnsitz seinen Palast zur Verfügung gestellt, der, wie schon erwähnt, auf den Fundamenten des salomonischen Tempels erbaut war. Warum hätte er das tun sollen, wenn nicht ein mächtiger Mann in Europa ihm dies nahegelegt hätte? Bald begannen die Männer, dort Ausgrabungen durchzuführen. Tatsächlich legten sie eine Reihe von Kammern frei, die sie als Pferdeställe König Salomos bezeichneten. Ich frage Euch: Wühlen normannische Ritter grundlos in altem Schutt herum? Es ist natürlich klar, dass es sich um Schatzkammern gehandelt hat.«
»Weshalb glaubt Ihr das?«
»Weil nur ein großer Schatz, sei er nun aus Gold und Silber oder eine heilige Reliquie, jene Ritter bewegen konnte, überhaupt Ausgrabungen vorzunehmen. Dass sie es taten, beweist, dass sie wussten, was sie dort erwartete. Sie besaßen Unterlagen, irgendwelche alten Schriften, auf die ihr Gründer Hugo de Payens während seines ersten Kreuzzuges gestoßen sein muss. Vielleicht hatte Gelasius davon erfahren.«
»Und niemand weiß genau, was sie dort entdeckt haben?«
»Nein, sie sagen, ein paar Münzen, ein paar zerbrochene Artefakte, und einige Pergamente. Sie befinden sich im Besitz der Kirche und sind tatsächlich nicht von ungewöhnlicher Bedeutung.«
Emanuel fiel die Äußerung des Templers in Altenberg ein, als dieser nach etwaigen Reliquien gefragt wurde. ›Gerüchte!‹, hatte dieser behauptet. ›Es sind alles nur Gerüchte. Nichts wurde gefunden.‹
»Sie müssen nicht unbedingt jeden Fund ausgehändigt haben.«
»So ist es. Alles, was dann folgte, spricht dafür. Als sie fanden, was sie gesucht hatten, kehrten sie nach Frankreich zurück und gründeten den Orden der Tempelritter. Er bestand aus den erwähnten neun Männern. Das allein wäre nicht ungewöhnlich, aber bei der Ordensgründung gelobten sie, neun Jahre lang keine neuen Mitglieder aufzunehmen, was äußerst seltsam ist. Es beweist, dass die Templer ein Geheimnis hüteten, das keinem Außenstehenden bekannt werden sollte. Dem Zisterzienserorden schenkten sie ein großes Stück Land und beauftragten ihn mit der Gründung einer Abtei in Clairvaux. Kein anderer als der junge Bernhard hat diese geleitet, den heute jedermann als den heiligen Bernhard von Clairvaux kennt. Er hat sich stets mit glühenden Predigten für sie eingesetzt – für die bewaffneten Mönche, wie er sie nannte. Wer weiß, was sie ihm damals noch geboten haben? Reichtum sicher, aber vor allem Geheimwissen oder etwas, das Macht verleiht?«
»Weiß man denn überhaupt nichts über diesen geheimnisvollen Fund?«
»Es muss sich um eine außergewöhnlich wertvolle Reliquie handeln. Nicht um die üblichen Knochen und Kreuzsplitter, wie sie überall zu unserem großen
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