Schatten eines Gottes (German Edition)
Missfallen gehandelt werden. Die Gerüchte sprechen von dem Kelch, der beim letzten Abendmahl verwendet wurde, oder den Tafeln der Zehn Gebote, die der Herr selbst mit feuriger Hand beschriftet hat. Man könnte auch auf den mumifizierten Leib Christi gestoßen sein, und es würde sich herumsprechen, dass er nicht auferstanden ist.«
Emanuel war fasziniert von dem Gespräch und fühlte sich geehrt, dass der Bischof ihn in diese Dinge mit einbezog, sodass er vorübergehend vergaß, danach zu fragen, was er selbst mit der ganzen Angelegenheit zu tun hatte.
»Die Kirche hat den Orden aber doch zugelassen? Heutzutage verfügen die Templer über Privilegien wie niemand sonst, und ihre Reichtümer sind sagenhaft.«
Der Bischof nickte nachdenklich. »So ist es. Große Dinge müssen sich damals abgespielt haben, von denen wir nichts Genaues wissen. Nur soviel: Hugo de Payens wurde damals Großmeister der Templer und schuf ein unabhängiges Imperium, in das sich weder die geistliche noch die weltliche Macht einmischen durfte, ausgenommen der Papst selbst. Der große Bernhard rief alsbald erfolgreich zum zweiten Kreuzzug auf, den er zur Hälfte selbst finanziert hatte. Natürlich kam das Geld von den Templern.«
»Die Privilegien sind aber meines Wissens bis heute nicht widerrufen worden.«
»Bereits vor vier Jahren ermahnte der Papst den Orden zu mehr Demut und Gehorsam. Aber sie sind sehr mächtig, und es war nicht ratsam, sie sich zum Feind zu machen. Außerdem verfügten sie über ein Wissen, das niemand in Europa besaß. Die Kirche konnte auf dieses Wissen nicht verzichten. Allein ihre architektonischen Kenntnisse, die sie aus dem Orient mitbrachten, gingen weit über die Unsrigen hinaus. Viele sind erbittert, weil sie Geld verleihen und dafür Zinsen nehmen, was bisher nur die Juden taten. Doch Handel und Wandel profitieren davon. Sie haben kühne Pläne, kühnere, als je eine Gemeinschaft erdacht hatte.«
»Und dieses Wissen haben sie aus unbekannten Schriften?«
»Das müssen wir vermuten.«
»Aber die Schriften! Gab es sie wirklich? Und wer sollte der Urheber dieser Texte gewesen sein?«
»Muslimische und jüdische Gelehrte. Gleich nach ihrer Ordensgründung wurden in einer jüdischen Schule in Troyes sehr alte hebräische Texte übersetzt. Woher stammten die? Aus anderen Städten wurden Rabbiner herbeigerufen, um dabei behilflich zu sein. Vielleicht stießen sie auf uralte Weisheiten der Ägypter, die lange vor der Geburt unseres Herrn gelebt haben.«
»Was die alten Ägypter dachten, könnte das denn der Kirche schaden?«
»Nein. Die Kirche neidet den Templern auch nicht ihren Reichtum, mögen sie die Tempelschätze Israels geborgen haben und behalten. Doch wenn ein göttlicher, ein heiliger Schatz vorhanden ist, dann muss die Kirche es wissen. Es darf nicht sein, dass etwas existiert, womit man sie unter Druck setzen kann.«
»Nein, natürlich nicht.«
Emanuel überfiel eine furchtbare Ahnung. Der Bischof hatte doch nicht vor –
»Ihr sollt helfen herauszufinden, worum es sich bei dem Fund handelt und, falls Ihr etwas findet, mir das Fundstück aushändigen.«
Emanuel erbleichte. Das war unmöglich. Wie konnte der Bischof glauben, dass er – Emanuel schluckte. »Ihr glaubt, was seit hundert Jahren ein Geheimnis geblieben ist, das vermag ich nun zu lüften? Bei allem Eifer, der Kirche zu dienen, das erscheint mir doch sehr vermessen.«
»Ich schicke Euch nicht in die Wildnis. Mir ist zu Ohren gekommen, dass ein gewisser Octavien de Saint-Amand einer Erfolg versprechenden Spur nachgeht. Der junge Mann ist nicht irgendwer. Sein Vorfahr, Archibald de Saint-Amand, gehörte zu den neun Gründungsmitgliedern und war bei den Ausgrabungen dabei.«
Octavien! Das hochnäsige Bürschlein aus Altenberg. Deshalb also hielt er sich in Köln auf. Er hoffte, hier eine Reliquie seiner Vorfahren zu finden. Bei Kölns Reliquienschwemme die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
»Und meine Aufgabe dabei?«
»Der junge Mann hält sich zurzeit in Köln auf.«
»Ich weiß.«
Auf dem Heumarkt hatte Emanuel sich nicht enthalten können, den Herrn Hochwohlgeboren freundlich zu grüßen. Wie erwartet, hatte dieser eine Miene gezogen wie saure Milch. Emanuel hatte es ein diebisches Vergnügen bereitet.
»Ihr sollt Euch mit ihm anfreunden und ihm bei seiner Suche geistlichen Beistand leisten.«
Emanuel war entsetzt. »Er wird sich für diesen Beistand bedanken!«, stieß er hervor.
Und ich mich auch,
fügte Emanuel im
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