Schatten eines Gottes (German Edition)
oder von einer Ratte?«
Bruder Emanuel lächelte. »Wahrscheinlich Ratte.«
Ein wirklich gut aussehender Kerl,
ging es Octavien unwillkürlich durch den Kopf. Und abermals schien es Octavien, als sei die braune Kutte nur eine Verkleidung, denn dieser Mann, dem die Intelligenz aus den Augen funkelte, war nicht geschaffen, Suppe auszuteilen und Kranke zu pflegen.
Octavien lächelte zurück und entschloss sich, auf den Scherz einzugehen. »Ich wusste gar nicht, dass Ratte so gut riecht.«
Er kostete vorsichtig von der Pastete, und sie schmeckte vorzüglich. Sich räuspernd knüpfte er an seine Frage an: »Was hat Euch der Bischof gesagt?«
»Dass Ihr auf der Suche nach einer geheim gehaltenen Reliquie seid, die von den Templern ausgegraben wurde«, gab Emanuel flüsternd zur Antwort.
Octavien legte geräuschvoll das Messer auf den Tisch. »Was weiß denn der Bischof davon?«
Emanuel zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht. Jedenfalls soll ich Euch bei Eurer Suche unterstützen – mit meinem geistlichen Beistand.«
»Ist das so?«, Octavien brach in höhnisches Gelächter aus. »Und mich dabei bespitzeln und Hengebach das wertvolle Stück in die habgierigen Hände legen, so ist es doch?«
Emanuel nickte ungerührt. »Ja, so ist es. Leider. Aber er ist immerhin der Erzbischof.«
»Die Tempelritter nehmen auch von Erzbischöfen keine Befehle entgegen.«
»Richtig, die Tempelritter wohl nicht, aber Ihr seid noch keiner, soweit ich unterrichtet bin.«
Octavien schob den Rest der Pastete brüsk zur Seite, als habe er diese ohnehin nur aus Höflichkeit hinuntergewürgt. »Speis und Trank habe ich gern gewährt«, zischte er, »nur die Begleitmusik hat mir nicht gefallen. Ich betrachte das Ganze als eine Unverschämtheit.«
Er warf ein paar Münzen auf den Tisch. »Geht mit Gott, Bruder Habenichts!«
Da schloss sich eine Hand überraschend stark um sein Handgelenk. »Ihr werdet jetzt nicht gehen!«
»Was erdreistet Ihr Euch, Mönchlein! Lasst mich, oder ich vergesse Euren Rock.«
Emanuel ließ sein Handgelenk los, aber nicht seinen Blick. »Unsere Unterredung ist noch nicht beendet.«
»Ich lehne Eure Begleitung ab. Ich reise nicht mit Leuten unter meinem Stand.«
»Ich werde Euch folgen wie ein Schatten«, erwiderte Emanuel, während er weiterhin ungerührt seine Pastete verspeiste und das mit den manierlichen Gesten eines Edelmannes, was Octavien noch mehr verdross. »Im Übrigen, Junker Hochnäsig, schaut nicht immer auf meine braune Kutte. Ich habe eine ausgezeichnete Bildung im Kloster Altenberg genossen.«
»In Altenberg? Aber dort leben Zisterzienser.«
»So ist es. Aus Gründen, die ich hier nicht erläutern will, trage ich den Habit eines Franziskaners. Aber mein Mutterkloster ist das der Zisterzienser in Altenberg.«
Habe ich mir doch gedacht, dass unter dieser Kutte kein Bettelbruder wohnt,
dachte Octavien. »Dann gebt Ihr nur vor, ein Franziskaner zu sein, der sich der Armut verschrieben hat, weil er die Armen liebt?«
Emanuel lächelte dünn. Bevor er antwortete, sah er sich um, ob jemand mithören konnte, dann sagte er in gedämpfter Tonlage: »Ich meide sie genauso wie Ihr.«
»Erdreistet Euch nicht, mit derartigen Gemeinplätzen mein Vertrauen zu erschleichen. Ganz offensichtlich seid ihr ein schändlicher Betrüger!«
»Und Ihr, edler de Saint-Amand?«
»Ich gebe nicht vor, die Armen zu lieben.«
»Aber Ihr braucht sie, Ihr benutzt sie. So wie diese bedauernswerten – oder sollte ich lieber sagen: armseligen Kinder benutzt werden, um den verblichenen Glanz der Kirche wieder aufzupolieren.«
»Damit habe ich nichts zu tun.«
Octavien warf Emanuel einen giftigen Blick zu. »Ich war es nicht, der einen Kreuzzug vorgeschlagen hat.«
Emanuel zuckte die Achseln. »Eine notwendige Maßnahme, der sich selbst der Bischof nicht entziehen konnte.«
Octavien widmete sich in mürrischem Schweigen seiner Pastete. Schließlich sagte er: »Woher weiß Hengebach von meinem Vorhaben? Außer mir wissen nur drei Leute davon: mein Onkel Etienne, der Abt Nathaniel von St. Marien und meine Mutter. Keiner von ihnen hätte etwas ausgeplaudert, dafür verbürge ich mich.«
»Davon bin ich überzeugt, dennoch weiß es der Bischof, und er wollte mir leider nicht sagen, woher.«
»Und ich glaube, Ihr habt dabei Eure schmutzige Hand im Spiel.«
»Ich gehorche nur meinem Bischof.«
»Der offensichtlich genau wusste, wem er diesen Spitzeldienst anvertrauen konnte.«
»Oh, Ihr schmeichelt mir, das
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