Schatten eines Gottes (German Edition)
begleitete die Hoffnung sie wie ein höhnischer Windgeist, und es fiel ihr immer schwerer, dem Grafen zu Willen zu sein. Sie bemerkte seine mürrische Miene und wusste, er wollte aufgeheitert werden. Vielleicht ließ er sich durch ein Gespräch ablenken. Sie schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln. »Was für schlecht Wetter draußen. In meiner Heimat besser, viel besser.«
Rüdiger saß auf dem Diwan und bedeutete ihr mit einer Handbewegung, wie man ein Hündchen zu sich befiehlt, neben ihm Platz zu nehmen. »Ich weiß. Und außerdem habt ihr da unten keinen verknöcherten Anselm.«
»Ja«, lächelte Vanisha, »Pater Anselm verdrussliche Mann, oder sagt man verdrießlich? Er immer reden von Allerseelen und sagen schreckliche Dinge. Unser Gott besser. Er will Menschen immer froh.«
»Deinen Gott Allah würde Pater Anselm einen Götzen nennen.«
»Du auch so denken?«
Rüdiger zögerte, dann brummte er: »Sicher, schließlich bin ich ein guter Christ. Aber bevor die Missionare den neuen Glauben verbreitet haben, gab es auch schon …« Er zögerte. »Nun, es gab eben Dinge, und die sind bestimmt nicht verschwunden. Unsichtbare Wesen, verstehst du?«
Vanisha nickte. »Dschinns. Gibt Gute und Böse, aber nicht sehr Böse. Wollen Menschen necken.«
Rüdiger nickte, dann grinste er und zog Vanisha zu sich heran. Sein stets weingeschwängerter Atem blies ihr ins Gesicht.
»Ich bin auch ein Dschinn, böse und wild, und du, kleine Hexe, weißt auch, wer daran schuld ist. Und ich weiß auch, dass du diesen Dschinn magst. Du magst ihn doch oder?«
Vanisha schloss die Augen und seufzte, weil ihr Ausweichen auf ein Gespräch nichts genützt hatte, doch Rüdiger fasste es als Leidenschaft auf. Um diese noch zu schüren, bot er ihr einen Becher Wein. Als er dabei war, sich selbst einzuschenken, klopfte jemand an die Tür.
»Wer ist da?«, schnauzte Rüdiger.
»Herr, ich bin es, Kilian.«
»Was gibt es denn? Hat das nicht Zeit bis morgen?«
»Ich fürchte nein, Herr, sonst würde ich nicht wagen, Euch zu stören.«
»Also in Gottes Namen herein mit dir, aber fasse dich kurz!«, knurrte der Graf. Er streichelte Vanisha die Wange. »Sei nicht ungeduldig, mein Vögelchen, gleich bin ich wieder für dich da.« Er schaute dem Eintretenden ungnädig entgegen.
Kilian verneigte sich flüchtig, die Kappe in der Hand, wobei er es vermied, Vanisha anzusehen. »Herr, aus dem Dorf ist ein Bote gekommen. Die Knaben sind krank, und die Amme verlangt nach der fremden Frau. Sie glaubt, diese verstehe sich besser auf die Kinder, weil es doch Sarazenen sind. Vielleicht weiß sie …«
»Krank? Die Kinder sind krank?«, unterbrach Vanisha ihn etwas zu schrill und erhob sich. »Ich muss zu ihnen!« Sie warf dem Grafen einen bittenden Blick zu. »Ich darf doch? Ich fühle mich so für sie verantwortlich.«
Rüdiger zerdrückte einen unchristlichen Fluch zwischen den Zähnen. Höllenpein und Teufelsdreck! Erst Pater Anselms Gewäsch und dann diese Bälger! Der Abend vor Allerseelen war tatsächlich verflucht. Aber er nickte. An diesen Kindern hing Vanisha nun einmal wie Pech und Schwefel. Sie konnte sehr unleidlich werden, wenn man sie ihr entzog, und dann war mit ihr nichts mehr anzufangen.
***
Die Schildwachen am Tor hatten sich wegen des garstigen Wetters in ihre Unterstände zurückgezogen und wärmten ihre Mägen mit heißem Würzwein. Als der Majordomus mit der Sarazenin erschien, winkten sie ihn durch. Sie sahen den beiden nach, wie sie in die Nacht von Allerseelen liefen. Die Kinder krank? Kein Wunder, gottlose Geschöpfe, die sie waren. Die Totengeister hatten sie bestimmt schon gewittert und schwebten jetzt über ihren Köpfen. Gut so, dann waren sie anderweitig beschäftigt.
»Er ist gekommen«, hatte Kilian Vanisha draußen zugeflüstert.
»Dann sind die Kinder gesund?«, flüsterte sie zurück. Aber sie hatte Kilians Manöver von Anfang an durchschaut.
»Ja, ihnen fehlt nichts.« Er legte ihr einen Mantel um die Schultern. »Komm, wir müssen uns eilen.«
Niemand begegnete ihnen auf dem Weg hinunter ins Dorf.
Wie klug hat der Meister den Zeitpunkt der Flucht gewählt,
dachte Kilian.
In der Nacht vor Allerseelen ist niemand unterwegs, der nicht dazu gezwungen wird. Und das schlechte Wetter tut ein Übriges.
Im Dorf wartete der versprochene Wagen auf sie. Der Amme gegenüber gab Vanisha vor, die Kinder ein paar Tage mit auf die Burg nehmen zu wollen. Die Gute packte die Kinder warm ein und gab jedem der Kleinen noch
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