Schatten ueber Broughton House
Amazonas entweder krank geworden waren oder aber das Vorhaben aufgegeben hatten, weshalb allein er und Captain Eberhart übrig waren. Dennis war dennoch voller begeisterter Zuversicht gewesen, hatten sie doch eine Gruppe aus England getroffen, die ähnlich dezimiert war wie die ihre und mit der sie sich daher zusammengetan hatten.
Die englische Gruppe bestand aus drei Reisenden: Andrew Barchester, Julian Coffey und Theo Moreland. Alle drei seien sie „vortreffliche Männer“, hatte Dennis zu berichten gewusst, insbesondere Theo Moreland, der nur vier Jahre älter war als er selbst und „für jeden Spaß zu haben sei“.
Einige Monate darauf hatte Frank Mulcahey eine kurze Nachricht von besagtem Theo Moreland erhalten, in der dieser ihm mitteilte, dass sein Sohn gestorben sei und er ihm sein Mitgefühl ausdrücke. Andrew Barchester hatte ihnen später einen etwas ausführlicheren Bericht über die Umstände von Dennis’ Tod zukommen lassen, in dem er eine unerwartete Neuigkeit enthüllte - nämlich, dass Dennis von der Hand Theo Morelands zu Tode gekommen war.
„Was er Dad zu berichten hatte, war allerdings recht dürftig“, meinte Megan nun.
Deirdre nickte. „Und ist es zehn Jahre her. Dad wird sich nicht mehr an alles so genau erinnern.“
„Leider fürchte ich das auch bei Mr. Barchester. Aber ich muss dennoch mit ihm reden.“
„Und was ist mit Moreland?“, wollte Deirdre wissen. „Wirst du ihn auch befragen?“
„Ich bezweifle, dass er überhaupt mit mir sprechen würde. Er lebt in einem prächtigen Haus mit Lakaien an der Tür. Eine fremde Frau dürfte es nicht einmal über die Türschwelle schaffen.“
„Oh, ich kann mich erinnern, dass du schon Leuten vor ihrem Haus aufgelauert und sie dann angesprochen hast, als sie gerade in ihre Kutsche steigen wollten“, wandte Deirdre mit funkelnden Augen ein.
Megan grinste, wobei sich ein Grübchen in ihrer Wange zeigte, und ihre Augen leuchteten vor Übermut. Sie nickte und meinte: „Stimmt, ich bin nicht zimperlich, wenn es darum geht, jemandem in die Quere zu kommen. Aber im Moment halte ich das für wenig ratsam. Moreland wird nicht zugeben, dass er jemanden umgebracht hat. Wenn ich mir jedoch Zugang zum Haus verschaffe, kann ich alles in Ruhe ausspionieren. Sollte er Dennis etwas gestohlen haben, wie Dad vermutet, dann wird er es sicher im Haus aufbewahren, und wenn ich diesen Gegenstand finde, habe ich einen Beweis, den ich gegen Moreland verwenden kann. Mit etwas Glück bekomme ich dann auch die Wahrheit aus ihm heraus.“
„Aber wie?“
„Viele Männer werden sehr gesprächig, wenn sie betrunken sind“, meinte Megan daraufhin. „Ich kann mich noch gut an einen in Tammany Hall erinnern, der auf diese Weise etliche Geheimnisse preisgegeben hat. Er war Stammgast in O’Reillys Schenke, und es ist mir gelungen, mich dort als Bedienung einstellen zu lassen.“
Deirdre schüttelte vorwurfsvoll und bewundernd zugleich den Kopf. „Und ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie Dad vor Wut tobte, als er herausfand, wie du an diese Geschichte gekommen bist.“
„Ja, er hat sich aufgeführt, als ob ich mich als Straßenmädchen verdingt hätte, dabei habe ich nur Getränke serviert - und nicht einmal mehr Dekollete gezeigt als manch vornehme Dame in ihrer Abendrobe. “
„Wo nimmst du nur den Mut her? Waren die Männer denn nicht zudringlich?“
Megan winkte ab. „Damit wusste ich umzugehen. Es hat mir sicher geholfen, dass ich seit Jahren mit Zeitungsleuten zu tun habe.“
Megan hatte sich ihren Respekt in der Branche hart erkämpfen müssen - eigentlich hatte sie sich alles erkämpfen müssen, was sie je in ihrem Beruf erlangt hatte, von dem ersten Angebot, eine Geschichte zu schreiben, bis zu ihrer jetzigen Anstellung. Vom ersten Tag an war sie sich bewusst gewesen, dass sie niemals Schwäche zeigen dürfe, denn alle würden das sogleich als Beweis dafür sehen, dass eine Frau nicht befähigt sei, als Reporterin zu arbeiten.
Viele ihrer Erfahrungen hatte sie Deirdre nie anvertraut, da sie wusste, dass ihre empfindsame Schwester nur beunruhigt gewesen wäre - so sehr, dass Deirdre vielleicht ihrem Vater davon berichtet hätte. Und wenngleich Frank Mulcahey stolz auf seine Tochter war und es jederzeit mit jedem aufgenommen hätte, der anzudeuten wagte, dass Megan nicht ein ebenso guter Reporter war wie alle anderen auch, so lag er ihr trotzdem dauernd mit guten Ratschlägen in den Ohren. Erfuhr er erst einmal von ihren etwas
Weitere Kostenlose Bücher