Schatten ueber Broughton House
gewagteren Unternehmungen, so traute Megan es ihrem Vater durchaus zu, in die Redaktion zu stürmen und sich den Herausgeber vorzuknöpfen, was ihm denn einfiele, sie solchen Gefahren auszusetzen.
„Aber derlei wird diesmal nicht funktionieren“, beruhigte
Megan ihre Schwester. „Ich habe nicht die geringste Ahnung, welche Schenke Theo Moreland gerne aufsucht, falls ein solcher Ort nicht ohnehin unter seiner Würde ist. Wahrscheinlich pflegt er in einem jener Herrenclubs zu trinken, zu denen Frauen nicht zugelassen sind - weshalb ich mir ja Zugang zu seinem Haus verschaffen muss. Und deshalb werde ich mich dort um eine Stelle als Dienstmädchen bewerben.“ Deirdre ließ die Kartoffel fallen, die sie gerade geschält hatte, sah ihre Schwester ungläubig an und brach dann in schallendes Gelächter aus.
„Was findest du daran so lustig?“, fragte Megan ungnädig. „Es ist eine ganz ausgezeichnete Idee.“
„Du? Als Dienstmädchen? Oder vielleicht ja gar als Köchin?“, brachte Deirdre schließlich hervor und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. „Das würde ich mir aber gerne anschauen!“
„Du glaubst also, ich könnte nicht putzen oder kochen?“, fragte Megan und stemmte die Hände in die Hüften. „Als du noch klein warst, habe ich auch geputzt und gekocht.“
Deirdre bemühte sich redlich, wenngleich nicht allzu erfolgreich, ernst zu bleiben. „Mag sein - wenn Mary dich angetrieben hat. Aber das ist Jahre her.“
„Ich habe keineswegs vergessen, wie es geht. Immerhin sitze ich jetzt hier und schäle Kartoffeln, oder etwa nicht?“
„Ja, schon. Doch sieh dir nur an, wie viel Kartoffelschalen vor dir liegen.“ Deirdre deutete auf das Zeitungspapier, das sie zwischen sich auf den Tisch gelegt hatten. Vor Megan lag gerade einmal eine Handvoll Schalen, während Deirdre einen Berg vor sich hatte, der bestimmt dreimal so groß war.
„Du hast ja auch vor mir angefangen“, stellte Megan fest. Als sie den Blick ihrer Schwester sah, meinte sie: „Na schön, ich bin nicht so schnell wie du. Aber das werden sie in Broughton House nicht wissen.“ ’’
„Nach zwei Tagen würde man dich hinauswerfen. Schon allein deshalb, weil du widersprichst. Ich kenne dich doch, Megan Mulcahey, und weiß, wie schwer es dir fällt, Anweisungen entgegenzunehmen.“
„Da hast du allerdings recht. Nun, damit muss ich mich einfach abfinden. Zumindest sehe ich keine andere Möglichkeit, in das Haus zu gelangen. Und wenn ich dort Zimmer reinige!
werde ich Gelegenheit haben, nach dem zu suchen, was Moreland Dennis gestohlen hat.“ Sie zögerte und sah ihre Schwester fragend an. „Hmm, weißt du ... diese Dinge, die Dennis gesucht hat...“
Deirdre seufzte. „Nein, ich weiß auch nicht mehr darüber. Seit jener Nacht habe ich nichts mehr von Dennis gehört oder ihn gesehen. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was er so dringend zurückhaben möchte.“ Sie hielt kurz inne und meinte dann: „Du glaubst mir nicht, dass Dennis wirklich bei mir war.“
„Ich glaube nicht, dass du schwindelst“, versicherte Megan ihr rasch. „Ich weiß, dass du überzeugt davon bist, dass Dennis dir erschienen ist - leibhaftig oder in einem Traum oder wie auch immer. Doch für mich klingt es etwas ... nun ja ...“
„Für dich ist das viel zu übersinnlich. Du glaubst eher an greifbare Dinge, und daran ist auch nichts auszusetzen. Du beschäftigst dich lieber mit Tatsachen, mit der wirklichen Welt. Aber Megan ..." Deirdre beugte sich vor und runzelte besorgt die Stirn. „Ich bin nicht verrückt.“
„Deirdre! Das wollte ich doch niemals rief Megan entsetzt und ergriff die Hand ihrer Schwester.
„Nein, ich weiß, dass du mich nicht für verrückt hältst. Aber es gibt Leute, die das durchaus denken würden. Doch was ich gesehen habe, habe ich gesehen. Es war Dennis, und er hat zu mir gesprochen - ob er nun bei mir im Zimmer war oder mir in einem Traum erschienen ist, das weiß ich nicht so genau. Doch er war es, und ich habe gespürt, dass er verzweifelt war. Er will zurückhaben, was immer ihm genommen wurde. Es bedeutet ihm sehr viel. Und er ist zu uns gekommen, um Hilfe zu erbitten.“
„Ich weiß nicht, was ich davon halten soll“, gestand Megan ehrlich ein. „Mir fällt es schwer, derlei zu glauben, aber ich weiß auch, dass du weder verrückt noch eine Lügnerin bist, und solange auch nur die geringste Wahrscheinlichkeit besteht, dass Dennis von den Toten zurückgekehrt ist, um unsere Hilfe zu erbitten,
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