Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
gefällst du mit.« Rich beugte sich vor und klopfte Cunningham mit der Hand aufs Knie. »Wie wär’s denn mit einem kleinen Bonus, Billy?«
»Bonus?« Argwöhnisch wich Cunningham zurück. »Wir hatten eine Abmachung, Rich, und ich habe mich daran gehalten.«
»Kann man nicht leugnen. Aber siehst du, Billy, du hast ganz schön abgesahnt. Schätze, du hast insgesamt so dreibis vierhunderttausend eingesackt.« Als Cunningham wieder der Schweiß auf die Stirn trat, wurde Richs Grinsen breiter. »Und wenn du dich dann auch noch auf die Zucht verlegst – Sheba bringt dir die nächsten Jahre sicher regelmäßig Fohlen – dann hast du ausgesorgt. Ohne mich hättest du das nicht geschafft, so isses doch?«
»Ich hab’ dich schon bezahlt.«
»Sicher, aber ich muß noch was draufschlagen. Ich mußte für Lipsky schließlich auch was auslegen.«
»Das war deine Idee. Damit hatte ich nichts zu tun.«
»Ich bin quasi ein Subunternehmer, Billy«, erklärte Rich geduldig. »Alles, was ich tue, kommt im Endeffekt von dir, vergiß das nicht. Jedenfalls hat Lipsky den Pfleger unschädlich gemacht und ich dafür ihn. Wir wollen uns jetzt doch nicht über jeden streiten, der auf meiner Lohnliste steht, aber glaub mir, das sind unvermeidliche Ausgaben, die ich dir in Rechnung stellen muß. Zwei Männer und ein Pferd sind tot, und zwischen diesen Todesfällen und deiner Person stehe ich.« Strahlend zählte er die Toten an den Fingern an. ›Deshalb solltest du mich besser bei Laune halten. Hunderttausend Dollar könnten dafür sorgen.«
»Hundert . . . Du spinnst wohl, Rich! Wie stellst du dir das vor? Ich hab’ schließlich alle Ausgaben. Weißt du, was der Unterhalt eines Vollbluts kostet, bloß eines einzigen Pferdes? Und dann die Startgebühren!«
»Du wirst doch nicht mit mir feilschen wollen, Billy Boy. Das würde ich an deiner Stelle gar nicht erst versuchen.« Richs lächelndes Gesicht hatte sich in eine Fratze verwandelt. Er hatte vor, Cunningham auszuquetschen wie eine Zitrone, und zwar eine ganze Zeit lang. »Hunderttausend, abgemacht? Ich gebe dir eine Woche Zeit, damit du dir überlegen kannst, wie du deine Bücher am besten türkst. Bring mir das Geld am Tag vor den Preakness Stakes hierher. In bar.« Sehr zufrieden mit sich lehnte Rich sich zurück. »Ich habe das dringende Verlangen, ein paar Dollar auf das Pferd meines Sohnes zu setzen. Familienbande, weißt du?«
Lachend schenkte er sich einen weiteren Bourbon ein.
Kelseys Familienbande verursachten ihr gewaltige Kopfschmerzen. Sie hatte zwar damit gerechnet, daß ihre Fahrt nach Potomac nicht besonders erfreulich werden würde, aber es war viel schlimmer gekommen, als sie befürchtet hatte. Ihr Vater hatte getobt; Kelsey hatte ihn noch nie so
wütend gesehen. Daß sich sein Wutausbruch nicht gegen sie richtete, spielte keine Rolle, aber sie war, wie Candace ihr kühl erklärte, die Ursache des Problems.
Milicent hatte ihre Drohung wahr gemacht. Zwar konnte sie an den testamentarischen Verfügungen von Kelseys Großvater nichts ändern, wohl aber an ihrem eigenen Testament. Nach guter alter viktorianischer Tradition hatte Milicent von nun an keine Enkelin mehr.
Kelsey ließ ihren Wagen mit laufendem Motor in der Einfahrt von Three Willows stehen und legte ihren schmerzenden Kopf aufs Lenkrad. Es war eine furchtbare Szene gewesen. Milicent, die voller unterdrücktem Zorn ihre Ankündigung machte, der Schreck und der anschließende Wutausbruch ihres Vaters. Und Candace, die, von Milicent beeinflußt, ständig kleine Giftpfeile auf Kelsey abschoß.
Stöhnend richtete Kelsey sich auf und stellte den Motor ab. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß ihr die Sache so an die Nieren gehen würde. Da Milicent und sie sich noch nie vertragen hatten, hätte sie doch eigentlich erleichtert sein müssen. Doch statt Erleichterung verspürte sie Trauer und eine große Müdigkeit.
Sie stieg aus. Ein Aspirin würde zumindest die rasenden Kopfschmerzen lindern.
Schon von weitem hörte sie Musik, den harten, hämmernden Rhythmus eines Titels der Rolling Stones. Mick und seine Jungs bekundeten lauthals eine Seelenverwandtschaft mit dem Teufel. Kelsey folgte den Klängen und ging ums Haus.
Die Veranda war mit einem fleckigen alten Bettlaken abgedeckt, und aus einem Transistorradio, das in der Ecke auf einem Glastisch stand, dröhnte Rock ’n’ Roll. Naomi hatte das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, trug ein bis zu den Knien reichendes Männerhemd und stand an
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