Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
können. »Gib mir noch eine Minute.«
Kelsey schnaubte vernehmlich, schlug die Beine übereinander und verschränkte die Arme. »Gut. Laß dir nur Zeit. So habe ich Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie ich es dir heimzahlen kann.«
»Komm mal her.«
Kelsey holte aus und bekam ihren eigenen Ellenbogen ab, als er nach ihr griff. »Hände weg!«
»Okay. Ich hatte mir nur vorgestellt, daß ich dich dazu in den Arm nehme, wenn ich dir sage, daß ich dich auch liebe.«
Nachdenklich, aber noch nicht nachgiebig drehte sie sich ein Stück zu ihm hin. »Hast du dir das schon lange vorgestellt?«
»Eine Zeitlang. Ich dachte, es würde vorübergehen, wie eine Krankheit.« Als sie herumfuhr, hob er ergeben beide Hände. »Nicht schon wieder schlagen!«
»Mal sehen.« Bloß nicht lachen, mahnte sie sich, egal, wie sehr er sie auch provozierte. »Eine Krankheit?«
»Genau. Nur hatte ich eine kleine Eigenart vergessen. Sie verschwindet nicht wieder, sondern nistet sich bei dir ein und schlägt zurück, wenn deine Abwehrmechanismen nachlassen.« Er zog ihre geballte Faust an die Lippen. »Ich habe versucht, damit zu leben.«
»Und wie klappt das?«
»Jetzt geht’s schon besser.« Er lehnte seine Stirn an ihre. »Was für ein Timing. Wir sollten zu Hause sein, und zwar allein.«
»Macht nichts.« Kelsey senkte den Kopf, so daß ihre Lippen seine streiften. »Das holen wir nach.« Sie drückte ihn an sich. »Wie kann alles um mich herum so in Aufruhr und das hier so . . . so richtig sein?«
»Das ist die Gunst der Stunde.« Er schob sie von sich, um ihr in die Augen sehen zu können. »Wir müssen nur dafür sorgen, daß es so bleibt.«
»Für den Augenblick ist es genug, Gabe.« Liebevoll strich sie ihm über die Wange. »Sogar mehr als genug.«
Als das Paar aus dem flotten Schlitten, den sie in seiner Einfahrt geparkt hatten, ausstieg, stand für Tipton sofort fest, daß es sich um Liebende handelte. Der Mann legte seiner Begleiterin nur die Hand auf die Schulter, und sie blickte nur zu ihm auf und lächelte ihn an. Doch Tipton war sich seiner Sache sicher.
Dann bemerkte er, daß die Frau Naomi fast aufs Haar glich, der Naomi, die er damals hinter Gitter gebracht hatte.
Feine Unterschiede gab es schon, die seinem geschulten Auge nicht entgingen. Der Mund der Tochter war weicher und großzügiger geformt, ihre Wangenknochen weniger ausgeprägt, und der Gang wirkte fließender. Naomi pflegte damals energisch und kraftvoll auszuschreiten; eine Art zu gehen, die die Aufmerksamkeit eines jeden Mannes im Umkreis von einer Meile auf sie lenkte.
Trotzdem war er froh, daß Kelsey Byden vorher angerufen hatte. Es wäre ein zu großer Schock gewesen, unvermutet das Abbild der Frau, die er niemals ganz vergessen hatte, auf sich zukommen zu sehen.
»Captain Tipton.« Ihr Lächeln verblaßte, als sie seinen Besucher sah. »Lieutenant Rossi. Ich habe nicht damit gerechnet, Sie hier anzutreffen.«
»Die Welt ist klein, nicht wahr?« Es bereitete ihm großes Vergnügen, sie herauszufordern. Zufrieden griff er nach der zweiten Dose Bier. Schließlich war er ja nicht im Dienst. »Darf ich die Vorstellung übernehmen? Kelsey Byden, Gabriel Slater, mein früherer Vorgesetzter, Captain James Tipton.«
»Roscoe hat schon immer Wert auf Etikette gelegt.« Tipton grinste, als Kelsey bei der Erwähnung des Spitznamens eine Braue hochzog. »Setzen Sie sich und trinken Sie ein Bier mit.«
»Mr. Slater trinkt keinen Alkohol«, bemerkte Rossi.
»Hmm. Ich glaube, meine Frau hat Eistee gemacht. Roscoe, sei doch so nett und hole unseren Gästen eine Erfrischung.«
»Das wäre nett.« Voll Vergnügen, Rossi in die Rolle eines Bediensteten drängen zu können, machte Kelsey es sich auf der obersten Stufe bequem. »Danke, daß Sie sich für uns Zeit genommen haben, Captain.«
»Nicht der Rede wert. Zeit habe ich wahrhaftig genug. Wie geht es Ihrer Mutter?«
»Sehr gut, danke. Sie erinnern sich also noch an sie?«
»Ich vergesse nicht so leicht.« Tipton änderte seine Taktik, um das Terrain zu sondieren. »Roscoe sagte mir, daß Glückwünsche angebracht sind, Mr. Slater. Sie besitzen ein Pferd, das die Triple Crown gewinnen könnte. Nicht, daß ich viel davon verstehe. Baseball ist eher mein Fall.«
Auch Gabe verstand es, taktisch vorzugehen. »Dieses Jahr würde ich auf die Birds setzen. Ihre Werfer sind in Topform, und sie machen das Innenfeld so dicht, daß nicht mal eine Mücke durchschlüpfen kann.«
»Ganz genau.« Tipton
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