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Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)

Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)

Titel: Schatten über den Weiden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Brust, um ihr die Stelle zu zeigen. »Sie hatte ein paar blaue Flecken; nichts, was sie sich nicht selber hätte zufügen können.«
    »Und warum hat sie dann nicht auch ein paar Tische umgeworfen und ein paar Lampen zerbrochen?«
    Kluges Kind, dachte er. »Diese Frage habe ich ihr auch gestellt.«
    »Und was hat sie darauf geantwortet?«
    »Das erste Mal saßen wir unten, weil der Polizeifotograf im Schlafzimmer noch Aufnahmen machte. Sie hatte sich einen dicken Bademantel über ihr Nachthemd gezogen.« Als ob sie entsetzlich frieren würde, erinnerte sich Tipton, als ob sie noch unter dem schweren gesteppten Stoff zittern würde. »Als ich sie fragte, herrschte sie mich an: ›Vielleicht hab’ ich nur nicht dran gedacht‹.«
    Lächelnd schüttelte er den Kopf. »Sie war stinksauer auf mich und gab ständig solche Antworten, bis ihre Anwälte
ihr jede Aussage verboten. Das zweite Mal verhörte ich sie auf dem Revier. Sie rauchte eine Zigarette nach der anderen. Als ich ihr dieselbe Frage noch einmal stellte, meinte sie, sie wünschte, sie hätte das Zimmer etwas durcheinandergebracht, weil ihr dann vielleicht jemand Glauben schenken würde.«
    Er stellte seine Bierdose weg und seufzte tief: »Und wissen Sie was, Miß Byden? Ich glaubte ihr. Das habe ich, kurz ehe Sie kamen, auch zu Roscoe gesagt.«
    Kelsey massierte ihre eingeschlafenen Beine und stand mühsam auf. »Sie haben ihr also geglaubt. Sie glaubten, daß sie die Wahrheit sagte, und sie haben sie trotzdem ins Gefängnis gebracht?«
    »Ich habe ihr geglaubt«, wiederholte Tipton. Seine Augen wurden schmal und fixierten sie, es waren die Augen eines Polizisten. »Aber die Beweislast war erdrükkend. Ich habe einige schlaflose Nächte damit verbracht, nach Entlastungsmaterial zu suchen. Ich konnte allein auf mein Gefühl bauen, und ich habe nur meinen Job erledigt, Miß Byden. Ich habe sie festgenommen, sie verhört und vor Gericht meine Aussage gemacht. Das getan, was ich tun mußte.«
    »Das ist also Ihre Rechtfertigung vor sich selbst.« Kelsey ballte die Fäuste. »Damit können Sie leben? Sie wußten, daß sie die Wahrheit sagt!«
    »Ich glaubte ihr«, korrigierte Tipton. »Glauben heißt nicht wissen.«
     
    »Tja, Roscoe, da wären wir nun.« Tipton sah dem Jaguar nach, der gerade aus der Einfahrt bog. »Wie oft sieht man schon graue Augen? Ohne Grün darin, ohne Blau, nur Rauch. Augen wie diese vergißt man nie.«
    »Naomi Chadwick hatte es dir angetan, Captain. Das heißt aber noch lange nicht, daß sie die Wahrheit gesagt hat.«
    »O ja, sie hatte es mir angetan. Ich war ein glücklich verheirateter Mann, Roscoe, und hab’ nicht ein einziges Mal was mit einer anderen angefangen. Aber ich habe über
Naomi Chadwick nachgedacht. Habe ich ihr geglaubt, weil sie meinem Inneren etwas zum Klingen gebracht hat?« Seufzend zuckte er die Achseln und zerdrückte seine zweite Bierdose. »Ich weiß es nicht. Ganz sicher war ich mir nie. Aber der Staatsanwalt bestand auf einem Haftbefehl, er wollte sie vor Gericht bringen. Die Beweise waren da, also tat ich meine Pflicht.«
    Rossi betrachtete sein zweites Budweiser. »Was hast du von Charles Rooney gehalten?«
    »Dem Privatdetektiv? Ein ganz heißer Tip damals. Zu seinen Klienten gehörte viele, die Rang und Namen hatten. Er bearbeitete hauptsächlich Scheidungsfälle. Ich hab’ mich auf ihn und seine Story verlassen. Er hatte die Fotos, die Berichte, und er hatte die Anwälte der Bydens hinter sich.«
    »Er war Zeuge eines Mordes und hat sich nicht sofort gemeldet.«
    »Darauf haben wir ihn auch festgenagelt. Gab an, er sei total von der Rolle gewesen. Dachte, er würde scharfe Sexfotos schießen und wurde statt dessen Zeuge eines Mordes. Angeblich saß er noch immer in seinem Auto, als die Bullen kamen. Er hat über jede Minute Rechenschaft abgelegt.«
    »Und dann drei Tage gewartet, bis er die Fotos rausrückte.«
    Tipton zog seine buschigen Augenbrauen zusammen. »Wie tief willst du da buddeln, Roscoe?«
    »So tief wie nötig.« Rossi stellte die halbvolle Dose zwischen die Beine, stützte die Hände auf seine Knie und beugte sich vor. »Vor dreiundzwanzig Jahren hattest du ein totes Pferd während eines Rennens, Drogen, einen Selbstmord und einen Mord. Heute habe ich einen Mord, einen verdächtigen Todesfall, der nach Selbstmord riecht, ein totes Pferd während eines Rennens und Drogen. Klingelt’s jetzt bei dir?«
    »Du bist ein guter Polizist, Roscoe.« Wie ein Jagdhund nahm Tipton die Witterung auf.

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