Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
und das Interview sausen lassen.«
Die prickelnden Schauer, die sie überliefen, lenkten sie ab. Gabe nutzte seinen Vorteil und hatte die zwei obersten Knöpfe ihrer Bluse bereits geöffnet, aber dann wehrte sie ab.
»Hör auf! Ich habe in einer Viertelstunde einen Termin.«
»Ich mache ganz schnell.«
»Das ist mein Ernst.« Etwas außer Atem machte sie sich los und stand auf. »Ich muß noch zum Friseur.«
Er grinste. Ihr Haar löste sich bereits aus dem Pferdeschwanz, der von einem hellen Haarband zusammengehalten wurde. Sein Werk. »Mir gefällt deine Frisur genau so, wie sie gerade ist.«
»Halt dich zurück, Slater. Der Rest meines Tages ist Minute für Minute verplant, und ich will meine kostbare Zeit nicht damit vergeuden, mich von dir um den Schreibtisch herumjagen zu lassen.«
»Dann ändere deinen Zeitplan.«
»Für dich mag das ja einfach nur eine Party sein.« Obwohl sie sich eigentlich lächerlich dabei vorkam, lief sie um den Tisch herum, der wie ein Schutzwall zwischen ihr und Gabe stand. »Aber die Organisation hat mich die ganze letzte Woche aufrecht gehalten. Ich habe sozusagen mein Herzblut gegeben.«
»Ich auch.« Die Handflächen auf den Schreibtisch gestützt lehnte Gabe sich nach vorne. »Komm her.«
»Ich denke nicht daran.«
»Ich habe etwas für dich.«
»O bitte.« Wenn sie es gewagt hätte, den Blick von ihm zu wenden, hätte sie die Augen verdreht. »Das ist aber ein schwacher Versuch, Slater.«
Er richtete sich auf und hob spöttisch eine Augenbraue. »Ein Geschenk.« Mit diesen Worten zog er ein kleines, mit Samt überzogenes Kästchen aus der Tasche. »Ich hoffe, du schämst dich gebührend.«
»Ein Geschenk?« Trotz der Freude, die sie empfand, schaute sie mißtrauisch auf das Kästchen. »Ist das einer deiner Tricks?«
»Mach’s doch auf. Eigentlich wollte ich es dir erst nach dem Rennen geben, aber ich dachte, es bringt dir mehr Glück, wenn du es vorher bekommst.«
Die Versuchung war zu groß. Sie kam um den Tisch herum, nahm ihm das Kästchen aus der Hand und streckte ihm dann ihren Mund entgegen. »Danke.«
»Du hast es doch noch gar nicht aufgemacht.«
»Nur für die Idee.«
Als sie den Deckel aufklappte, stockte ihr der Atem. Das
galoppierende Pferd hob sich schimmernd von dem schwarzen Samt ab. Es war eine Brosche aus dunkelroter Jade und so kunstvoll gearbeitet, daß Kelsey meinte, das Spiel der Muskeln zu fühlen, als sie mit der Fingerspitze darüberstrich. Das diamantene Auge des Schmuckpferdes funkelte triumphierend.
»Es ist wunderschön. Einfach perfekt.« Sie blickte zu ihm hoch. »So wie du.«
Er legte ihr die Arme um die Taille und zog sie an sich. »Gern geschehen«, flüsterte er, als sein Mund den ihren berührte.
Natürlich kam sie zu spät. Kelsey stürmte in den Schönheitssalon unter einem Schwall von Entschuldigungen. Während der Behandlung schaute sie dauernd besorgt auf die Uhr, während die Kosmetikerin versuchte, ihren vernachlässigten Nägeln einen Hauch von Eleganz zu verleihen.
»Wie wär’s mit künstlichen Nägeln?«
»Nein, die würde ich mir nur abbrechen.« Ihr Haar war auf riesige Wickler aufgedreht und mit Schaumfestiger eingesprüht, das Gesicht von einer hellgrünen Paste bedeckt, zu der sie sich hatte überreden lassen. Und die Zeit verrann. »Feilen Sie doch einfach das, was da ist, und dann tun Sie farblosen Nagellack drauf.«
»Hätten Sie nicht lieber etwas . . . Schickeres?«
Kelsey schaute auf die unnatürlich langen, dunkelrot lackierten Nägel der jungen Frau. »Nein, danke, ich möchte lieber nichts Auffallendes.«
Kopfschüttelnd tauchte die Kosmetikerin Kelseys rechte Hand in warmes Wasser. »Wie Sie wollen.«
»Nanu, das ist doch Kelsey.« Die Frau im Sessel neben ihr lächelte sie an. »Ich bin Janet Gardener. Overlook Farm, Kentucky.«
»Ach ja, Mrs. Gardner.« Kelsey zeigte nicht, daß sie die Frau nicht wiedererkannt hatte, nicht mit dem flammendrot gefärbten Haar und nicht unter der grellrosa Gesichtsmaske. »Freut mich, Sie wiederzusehen.«
»Lifting ohne Skalpell, wie man mir sagte.« Lachend tippte Janet mit dem Finger gegen die langsam trocknende Maske. »Na, wir werden sehen. Und Ihre?«
»Soll entspannend wirken. Offenbar hab’ ich allzu verhärmt ausgesehen.«
»Wer tut das beim Belmont nicht? Mein Hank und ich werden zwei Wochen lang nur schlafen, wenn wir nach Hause kommen, das haben wir uns geschworen.«
Jetzt erinnerte sich Kelsey wieder an Hank – es war der hagere
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