Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
Glauben und Gewissen gehandelt, Kelsey.« Gabe setzte sich neben sie auf die Stuhllehne. »Wie soll es jetzt weitergehen?«
Kelsey holte tief Atem. »Ich werde Charles Rooney anrufen. Ich muß diese Sache zu Ende bringen.«
Sie hatten sich in der Bar eines gehobeneren Hotels verabredet. Rooney hatte alle Tricks, die er kannte, angewandt, um sicherzugehen, daß ihm niemand folgte.
Als er die beiden näherkommen sah, leerte er schon seinen ersten Gin Tonic. Er war erledigt und wußte das. Nachdem Rich Slater sein Büro verlassen hatte, war er stundenlang an seinem Schreibtisch sitzengeblieben und hatte über Flucht nachgedacht. Er hatte die nötigen Beziehungen und Kenntnisse, und nun auch ein Motiv.
»Mr. Rooney.«
»Nehmen Sie Platz. Den Hauswein kann ich empfehlen.«
»Gut«, sagte Kelsey und nickte der Kellnerin zu.
Gabe bestellte Kaffee. »Sie sagten, es sei dringend«, wandte er sich an Rooney.
»Ganz richtig.« Rooney tippte an sein Glas und bedeutete der Kellnerin, ihm einen neuen Drink zu bringen. One for the road, dachte er, denn morgen früh wollte er bereits in Rio seinen Drink nehmen. »Ich fürchte, ich war etwas überreizt, als ich anrief. Es war ein Tag der unerwarteten Besucher, und der letzte war äußerst unangenehm. Ich bin seit fünfundzwanzig Jahren privater Ermittler, und in dieser Zeit hatte ich viele interessante Fälle zu bearbeiten. Und nicht ein einziges Mal habe ich zur Waffe greifen müssen.« Er klopfte zweimal hart auf den Tisch. »Meine Arbeit machte mir von Anfang an Spaß. Es ist ziemlich schwierig, sich den richtigen Kundenstamm aufzubauen. Menschen, die der besseren Gesellschaftsschicht angehören, legen im allgemeinen keinen Wert darauf, mit Leuten meines Berufsstandes zu vertraut zu werden. Sie engagieren uns zwar, aber mit denselben Gefühlen, mit denen sie einen Kammerjäger kommen lassen. Sie wollen Resultate, selbstverständlich, aber wie diese erzielt werden, ist ihnen meistens egal.«
Er hielt inne, als die Drinks kamen.
»Das ist zwar hochinteressant, Rooney«, bemerkte Gabe, »aber deswegen wollten Sie uns doch nicht dringend sprechen.«
»Milicent Byden«, sagte Rooney und bemerkte, daß Kelsey die Lippen zusammenpreßte. »Eine Frau, die es gewöhnt ist, Dienstboten Befehle zu erteilen und die erwartet, daß sie auch nach ihren Wünschen ausgeführt werden.«
»Wir wissen, daß sie Sie angeheuert hat, damit Sie Informationen über Gabe sammeln.« Kelsey trank einen Schluck Wein. »Dann kann ich nur hoffen, daß Sie einen anständigen Vorschuß kassiert haben. Denn glauben Sie mir, sie ist mit den Ergebnissen nicht sehr zufrieden.«
»Hat Ihnen so einiges unter die Nase gerieben, was?«
Rooney kicherte belustigt. »Vielleicht gibt es doch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit. Das erste Mal, als sie mich engagiert hat, war sie nämlich mit den Resultaten zufrieden, sogar sehr zufrieden.«
»Das erste Mal?«
»Es war Ihre Großmutter, die mich wegen des Sorgerechtsprozesses engagiert hat.«
»Nach meinen Informationen wurden Sie von den Anwälten meines Vaters engagiert.«
»Ihren Anwälten, Miss Byden. Vergessen Sie nicht, daß es auch ihre Anwälte waren.«
Er fischte die Limonenscheibe aus seinem Drink und drückte den Saft ins Glas.
»Ich hatte für eine ihrer Bekannten mal einen Job erledigt. Scheidungssache. Sie muß der Meinung gewesen sein, daß ich gut und diskret gearbeitet habe. Und ich entsprach genau ihren Vorstellungen. Ehrgeizig und noch jung genug, um von ihrem Status – oder dem ihres Mannes – und von der Höhe ihres Schecks beeindruckt zu sein.«
Achselzuckend nahm er sich etwas aus der Schüssel mit Knabbergebäck, die auf dem Tisch stand.
»Ich kann nicht ganz einsehen, was es für einen Unterschied machen soll, von wem Sie Ihr Geld bekamen«, kommentierte Kelsey.
»Einen großen. Ihren Vater habe ich erst bei der Gerichtsverhandlung gesehen. Ihre Großmutter wollte es so, und sie ist eine Frau, die ihren Willen durchsetzt. Sie wollte ihre Mutter aus dem Weg haben. Naomi sollte aus Ihrem und dem Leben Ihres Vaters verschwinden, und um das zu erreichen, hat sie einen ebenso sicheren wie einfachen Plan ausgearbeitet. Meine Aufgabe war es, Naomi zu beschatten, Fotos zu machen und Berichte vorzulegen. – Das war Milicent Bydens Auftrag an mich. Aber ich bin ein guter Ermittler, Miss Byden. Ich war damals schon gut, und ich habe mehr herausgefunden.«
»Mehr?« Kelsey hatte das Gefühl, als öffne sich die Tür zur
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