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Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)

Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)

Titel: Schatten über den Weiden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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herein. Sie tranken noch etwas, und durch das Fenster konnte ich eine gute Aufnahme machen, wie die beiden sich küßten. Als sie ihn dann allerdings wegstieß, machte ich kein Foto, denn das gehörte ja nicht zu meinem Job. Dann fingen sie an zu streiten. Bruchstücke davon konnte ich verstehen. Dann warf sie ihn hinaus und machte ihm klar, daß alles vorbei war. Er packte sie, versuchte, sie anzufassen.«
    Rooney blickte Kelsey fest in die Augen. »Einen Moment lang dachte ich daran, hineinzugehen und einzugreifen. Sie war in Schwierigkeiten, das konnte ich deutlich sehen. Aber ich griff nicht ein. Schließlich hatte ich einen Auftrag zu erledigen. Wie dem auch sei, sie konnte ihn abwehren. Wütend war sie, das konnte ich sehen. Und ihre Wut war größer als ihre Angst. Sie schrie ihn an und wollte zum Telefon greifen, aber er ging wieder auf sie los.
Ich glaube, da wußte sie, was ihr bevorstand, und sie rannte los.«
    Rooney hielt kurz inne und erzählte dann weiter: »Er wußte, daß ich da war. Dieser Dreckskerl wußte das ganz genau. Er schaute aus dem Fenster und machte eine Handbewegung. So.« Rooney deutete mit einem Finger an die Decke. »Oben, sollte das heißen. Ich kümmere mich oben um sie. Also tat ich, was mir aufgetragen worden war, und kletterte auf den Baum. Hören konnte ich nichts, mein Herz klopfte viel zu laut, und ich dachte erst gar nicht darüber nach, was ich da tat. Ich hatte einen Bombenjob übernommen, der mir noch viele andere einträgliche Aufträge bringen würde. Und ich redete mir ein, daß sie schließlich die Situation selbst herausgefordert hatte, so, wie sie mit ihm Katz und Maus gespielt hatte.«
    »Sie wußten, daß er sie vergewaltigen wollte«, stammelte Kelsey, »Sie wußten es und haben nichts unternommen.«
    »Richtig.« Rooney stürzte den Rest seines Drinks hinunter. »Sie kam ins Schlafzimmer, nein, sie rannte ins Schlafzimmer. Jetzt kriegte sie es mit der Angst zu tun, aber trotzdem kochte sie noch vor Wut. Dieses durchsichtige Kleidungsstück, das sie trug, war an der Schulter zerrisssen. Er kam auch ins Schlafzimmer und lächelte. Sie standen sich gegenüber, das konnte ich durchs Fenster ganz deutlich sehen. Ihr Nachthemd rutschte von der Schulter, und sein Smokinghemd stand offen. Es wirkte provokativ, sehr erotisch. Ich konnte nicht verstehen, was er zu ihr sagte, aber sie schüttelte den Kopf und wich zurück. Er faßte nach unten, so, als ob er seine Hose aufmachen wollte, da gab sie ihm eine Ohrfeige.« Rooney befeuchtete seine Lippen. »Da hab’ ich abgedrückt. Er schlug zurück, doch das habe ich nicht fotografiert.«
    Er brach ab. Er hätte nicht damit gerechnet, daß es ihn so stark berühren würde, sich diese Nacht Schritt für Schritt wieder ins Gedächtnis zu rufen. Damals hatte er sich klein, mies und ängstlich gefühlt, heute fühlte er sich nur klein und mies.
    »Sie bückte sich und war für kurze Zeit außerhalb meines Blickfeldes. Er hob die Hände hoch, lächelte immer noch. Es war allerdings kein freundliches Lächeln mehr. Dann konnte ich sie wieder sehen. Und die Waffe.«
    »Jetzt machte ich ein Foto nach dem anderen. Ich hatte Angst. Und selbst als sie ihn erschossen hatte, als gar nichts mehr zu sehen war, drückte ich wie aus einem Reflex immer wieder ab.«
    »Es war Notwehr.« Kelseys Finger gruben sich in Gabes Hand. »Genau wie sie immer gesagt hat.«
    »Ja. Vielleicht, nur vielleicht hätte sie ihn mit der Waffe in Schach halten können. Aber sie fühlte sich in die Enge getrieben, war in Panik. Wenn alles, was ich gesehen habe, ans Licht gekommen wäre, dann hätte man sie mit Sicherheit nicht wegen Mordes verurteilt.«
    »Aber was sich wirklich abgespielt hatte, kam nicht ans Licht.«
    »Nein. Ich ging sofort zu Milicent Byden, klingelte sie mitten in der Nacht aus dem Bett, ohne überhaupt zu überlegen. Sie schenkte mir einen Brandy ein und befahl mir, mich hinzusetzen. Dann hörte sie sich meine Geschichte an, von Anfang bis Ende. Sie sagte, alles hätte sich doch noch zum Besten gewendet. Und wies mich an, ein, zwei Tage zu warten, ehe ich zur Polizei ging.«
    »Sie wußte Bescheid«, flüsterte Kelsey, »sie wußte also alles.«
    »Sie hat alles inszeniert. Wenn man Naomi nicht verhaften würde, sollte ich den Film zur Polizei bringen und meine Aussage machen. Ich sollte sagen, was ich gesehen hatte, nicht, was ich aus den Umständen folgerte. Dann sagte mir Milicent, was ich gesehen hatte. Eine aufreizend gekleidete Frau,

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