Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
berechnend und egoistisch. Und jetzt benutzt du auch noch Philips Tochter für deine Zwecke.«
»Kelsey ist ihr eigener Herr. Du scheinst sie nicht besonders gut zu kennen, wenn du glaubst, sie ließe sich benutzen.«
»Nein, das lasse ich mich auch nicht.« Kelsey schob sich zwischen die beiden Frauen, um ihnen besser die Meinung sagen zu können. »Und hört bitte auf, über mich zu reden, als sei ich gar nicht anwesend. Ich bin keine Marionette, die ihr nach Belieben bewegen könnt. Ich bin aus freien Stücken hierhergekommen und werde bleiben, solange ich es für richtig halte. Du kannst mich nicht wie ein Kind oder einen Dienstboten herumkommandieren, Großmutter.«
Hochrote Flecken zeigten sich auf Milicents Wangen. »Ich kann darauf bestehen, daß du im Sinne der Familie handelst.«
»Du kannst mich höchstens bitten, mir gut zu überlegen, was ich tue. Die Bitte würde ich dir gewähren.«
»Du hast sie beeinflußt.« Milicent durchbohrte Naomi mit einem anklagenden Blick. »Hast ihr weiches Herz ausgenutzt, um sie auf deine Seite zu ziehen. Hast du ihr denn auch von deinen Männern erzählt, Naomi? Von der Trinkerei? Daß du deine Ehe, dein Kind und deinen Mann vernachlässigt hast? Hast du ihr gesagt, daß du meinen Sohn in den Ruin treiben, ihn zerstören wolltest, aber am Ende nur dich selbst vernichtet hast?«
»Das reicht jetzt!« Kelsey trat einen Schritt zurück, ohne zu bemerken, daß sie sich mit dieser Geste fast schützend an Naomis Seite stellte. »Welche Fragen ich stelle und was für Antworten ich bekomme, geht dich nichts an. Ich handele nach eigenem Ermessen, Großmutter.«
Milicent kämpfte um Selbstbeherrschung. Ihr Herz klopfte wie wild. Nun gut, auch sie würde nach eigenem Ermessen handeln. »Wenn du hierbleibst, zwingst du mich, zu drastischeren Maßnahmen zu greifen. Dann bleibt mir keine andere Wahl, als mein Testament zu ändern
und meinen Einfluß zu nutzen, um den Treuhandfond deines Großvaters zu sperren.«
Kelsey verspürte eher Mitleid als Schrecken. »Ach, Großmutter, glaubst du wirklich, daß mir Geld so viel bedeutet? Denkst du so schlecht von mir?«
»Bedenke die Konsequenzen, Kelsey.« Milicent griff nach ihrer Tasche. Sie war sicher, daß ihre Drohung das Mädchen zur Vernunft bringen würde.
»Hey, Kel, rate mal, was ich . . .« Channing blieb wie angewurzelt stehen, als er Milicent sah. »Großmutter!«
Vor Wut schäumend fuhr diese auf Naomi los. »Also hast du ihn auch in deine Fänge bekommen! Erst Philips Tochter, und dann den Jungen, den er liebt wie einen eigenen Sohn!«
»Großmutter, ich bin lediglich . . .«
»Halt den Mund!« fauchte Milicent ihn an. »Du hast schon einmal teuer bezahlt, Naomi. Und ich schwöre dir bei Gott, du wirst wieder bezahlen.«
Nachdem sie zur Tür hinausgerauscht war, hob Channing die Schultern. »Bin ich im falschen Film?«
»Du hast gerade den donnernden Schlußapplaus verpaßt.« Erschöpft rieb sich Kelsey mit beiden Händen das Gesicht. »Channing, du hast doch Candace angerufen und ihr gesagt, daß du hier bist?«
»Angerufen hab’ ich sie.« Channing schob die Hände in die Hosentaschen. »Ich hab’ ihr nur gesagt, daß es mir gutgeht und daß ich gut untergekommen bin. Allerdings habe ich nicht erwähnt, wo. Dachte, ich vermeide lieber Komplikationen.« Da Kelsey ihn unverwandt anstarrte, atmete er tief durch. »Schätze, ich rücke lieber mit der Wahrheit raus, ehe die Sache noch unangenehmer wird.«
Kopfschüttelnd sah Kelsey ihm nach, als er die Treppe hinaufstieg. »Channing ist ein Meister darin, wesentliches für sich zu behalten.« Sie blickte wieder zu ihrer Mutter. »Möchtest du einen Drink?«
Naomi rang sich ein Lächeln ab und kuschelte sich in die Kissen. »Warum nicht? Ein kleiner Whisky spült vielleicht
den schlechten Nachgeschmack von dieser Szene hinunter.«
»Versuchen wir’s.« Kelsey ging zur Bar und schenkte zwei Gläser voll. »Es tut mir leid.«
»Mir auch, Kelsey. Geld mag dir ja nicht viel bedeuten, aber es ist dein Erbe. Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, daß du es nicht bekommst.«
Geistesabwesend fuhr Kelsey mit der Fingerspitze über eines von Naomis Kristallpferden. »Ich habe keine Ahnung, ob sie das Geld sperren lassen kann. Und selbst wenn, ich habe noch genug auf der hohen Kante.« Achselzuckend reichte sie Naomi ein Glas. »Ich möchte das Geld zwar nicht unbedingt verlieren, aber ich will verdammt sein, wenn ich mich von ihr mit Dollarscheinen ködern
Weitere Kostenlose Bücher