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Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)

Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)

Titel: Schatten über den Weiden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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sie. Und ich denke, sie war noch durcheinander wegen Ihres Daddy. Dann bedrückte sie der Verlust eines Pferdes, das auf der Rennbahn gestürzt ist und erschossen werden mußte. Hat sie schwer getroffen. Das muß so um die Zeit gewesen sein, als sie sich mit diesem Mann traf.«
    Gerties Abneigung war offensichtlich. Sie weigerte sich, wie sie sich von Anfang an geweigert hatte, Alex Bradleys Namen in den Mund zu nehmen.
    »Er sah gut aus. Aber von einem schönen Teller kann man nicht essen, sag ich immer. Ich werd’ Ihnen mal sagen, was das eigentliche Verbrechen war, Miß Kelsey. Es war ein Verbrechen, dieses junge Ding ins Gefängnis zu stecken, nur weil sie getan hat, was sie tun mußte.«
    »Sie hat sich selbst verteidigt.«
    »Sie sagte, sie mußte so handeln, also war es auch so«, erwiderte Gertie bestimmt. »Miß Naomi lügt nicht. Wenn ich in dieser Nacht zu Hause gewesen wäre oder ihr Daddy, dann wäre das alles nie passiert. Dieser Mann hätte nie Hand an sie gelegt. Und sie hätte die Pistole nie gebraucht.«
    Seufzend ließ Gertie Wasser laufen und wusch das Tuch aus. »Hat mich immer nervös gemacht zu wissen, daß sie eine Waffe im Nachttisch hat. Aber ich bin froh, daß sie sich in dieser Nacht wehren konnte. Ein Mann hat kein Recht, eine Frau mit Gewalt zu nehmen. Kein Recht!«
    »Nein«, stimmte Kelsey zu. »Dazu hat er kein Recht.«
    »Die Waffe hat sie heute noch.«
    »Wie bitte?« Unbehaglich legte Kelsey die fast abgenagte Keule zurück. »Naomi hat die Pistole immer noch oben?«
    »Vermutlich ist es nicht dieselbe. Aber so eine ähnliche. Die erste gehörte ihrem Daddy. Das Gesetz verbietet ihr, eine Waffe zu besitzen, aber sie tut’s trotzdem. Sie sagt, nur zur Erinnerung. Ich frag, warum sie sich an so was erinnern will, und sie sagt, manche Dinge sollte man niemals vergessen.«
    »Ich schätze, da hat sie recht«, meinte Kelsey. Aber ob sie nun, wo sie von der Existenz der Waffe wußte, ruhiger schlafen würde?
    »Es steht mir wohl nicht zu, das zu sagen, aber ich sag’s trotzdem«, schniefte Gertie und nahm sich ein Taschentuch, um sich zu schneuzen. »Sie waren ihr ein und alles, Miß Kelsey. Daß Sie jetzt wieder da sind, bedeutet sehr viel. Was geschehen ist, kann man nicht ändern, man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Aber Wunden können heilen, und das tun Sie.«
    So? Kelsey war sich ihrer Gefühle selbst noch nicht sicher. »Sie hat Glück, daß sie dich hat, Gertie«, flüsterte sie. »Glücklich, jemanden zu haben, der treu zu ihr steht.« Um Gertie aufzuheitern, der immer noch die Tränen in den Augen standen, fügte sie noch hinzu: »Und sehr glücklich, jemanden zu haben, der so gut kochen kann.«
    »Ach wo.« Gertie wischte sich über die Augen. »Hausmannskost ist das, mehr nicht. Und Sie haben Ihr Huhn noch nicht aufgegessen. Sie brauchen mehr Fleisch auf den Rippen.«
    Kelsey schüttelte abwehrend den Kopf. In diesem Moment schellte es an der Tür. »Nein, Gertie, ich gehe schon. Sonst esse ich alles ratzekahl auf und die Platte auch noch.«
    Sie nahm ihr Milchglas mit und trank beim Gehen. Als sie an einem Spiegel vorbeikam, verdrehte sie die Augen. Ihre Wangen wiesen deutliche Schmutzstreifen auf, und
ihre Haare waren vollkommen durcheinander. Mit dem Ärmel ihres fleckigen T-Shirts wischte sie sich über das Gesicht. Hoffentlich war der Besucher an Pferdenarren gewöhnt.
    Weit gefehlt!
    »Großmutter!« Kelseys Schreck mischte sich mit diebischer Freude, als sie bemerkte, wie Milicent bei ihrem Anblick zusammenzuckte. »Das ist aber eine Überraschung.«
    »Was in Gottes Namen hast du denn getrieben?«
    »Gearbeitet.« Kelsey schaute auf den fleckenlos sauberen Lincoln vor der Tür. Der Fahrer saß mit steinerner Miene hinterm Steuer. »Kleine Spazierfahrt gemacht?«
    »Ich bin gekommen, weil ich mit dir sprechen muß.« Hocherhobenen Hauptes schritt Milicent über die Schwelle. Mit derselben unbeugsamen Würde mußten einst die französischen Aristokraten die Guillotine bestiegen haben. »Was ich dir zu sagen habe, ist zu wichtig, um es am Telefon zu besprechen. Glaube mir, es hat mich große Überwindung gekostet, dieses Haus zu betreten.«
    »Das glaube ich dir gern. Komm herein und setz dich.« Gott sei Dank war Naomi irgendwo unterwegs, dafür konnte Kelsey dem Schicksal nicht genug danken. »Was darf ich dir anbieten? Kaffee? Tee?«
    »Nichts, was aus diesem Haus stammt.« Milicent setzte sich. Da sie sich nicht die Blöße geben wollte, bürgerliche Neugier zu

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