Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
ein paar Tagen noch einmal nach ihm. Jetzt, äh, werde ich mal nach Three Willows fahren.«
»Ach ja?« Gabe sah Matt fragend an und zündete sich lässig eine Zigarre an. »Gibt es dort ein Problem?«
»Nein, nein. Ich wollte nur . . . nunja . . .«
Gabe lächelte leicht, und seine Anspannung ließ etwas nach. »Sie ist ein erfreulicher Anblick, was?«
Matt wurde rot. »Allerdings. Channing glaubt, daß sie noch eine Weile hier bleibt.« Er hatte sein Bestes getan, um Channing auszuhorchen, aber der junge Mann war entweder sehr diskret oder sehr zurückhaltend, wenn es um seine Stiefschwester ging.
»Oh, ich denke schon, daß sie noch bleiben wird.« Dafür würde er sogar persönlich sorgen. »Und du darfst sie anschauen, soviel du willst.« Er legte Matt einen Arm um die Schulter, als er ihn zum Auto begleitete. »Daraus kann dir niemand einen Vorwurf machen. Aber nicht anfassen, Doc!«
Während Matt noch nach einer Antwort suchte, öffnete Gabe ihm schon die Autotür. »Sie gehört mir«, sagte er nur.
»Was, du . . .«, puterrot im Gesicht brach Matt ab, »das wußte ich nicht. Kelsey hat nie . . . Ich habe nie . . .«
»Wenn ich das angenommen hätte, wäre es dir schlecht ergangen«, unterbrach ihn Gabe freundlich, aber die Warnung in seinen Augen war nicht zu übersehen. »Grüß Kelsey von mir, wenn du sie siehst.«
»Mach’ ich.« Matt hatte es plötzlich eilig. »Aber weißt du, vielleicht sollte ich lieber nach Hause fahren. Ein Berg Papierkram wartet auf mich.«
»Dann will ich dich nicht länger aufhalten.« Gabe trat zurück und sah dem davonfahrenden Wagen grinsend nach.
»Du hast dem Jungen eine Todesangst eingejagt.« Jamison steckte sich eines seiner geliebten Kirschbonbons in den Mund.
»Ich habe ihm nur Ärger erspart.«
»So kann man’s auch nennen.« Jamison ließ sein Bonbon auf der Zunge zergehen. »Weiß sie, daß du ein Auge auf sie geworfen hast?«
Gabe stieß eine Rauchwolke aus und dachte an Kelseys Reaktion auf den Kuß in aller Öffentlichkeit. Er hatte das mit voller Absicht getan. »Sie hat ein kluges Köpfchen.«
»Gerade die klugen Frauen machen einem Mann die meisten Schwierigkeiten.«
»Ich habe schon lange keine derartigen Schwierigkeiten mehr gehabt.« Und er hatte auch nicht gewußt, wie sehr er sich danach sehnte. »Vielleicht fahre ich mal rüber, um mir welche einzuhandeln.« Die Ablenkung würde ihm guttun, dachte er und musterte seinen Trainer genauer.
Matt und Double hatten ihn zu sehr in Anspruch genommen, daß er die Furchen der Erschöpfung in Jamies Gesicht und die Schatten unter seinen Augen erst jetzt bemerkte. »Du siehst mitgenommen aus, Jamie.«
Er hatte die letzten Nächte schlecht geschlafen und seit dem Mord an Mick kaum einen Bissen hinunterbringen können.
»Mir geht vieles im Kopf herum.«
»Über eins brauchst du nicht mehr nachzudenken, für Micks Tod bist du in keiner Weise verantwortlich.« Als Jamison nur trübe ins Leere starrte, ließ Gabe seine Zigarre fallen und trat sie aus. Der Ausdruck in Jamisons Augen verstärkte seine eigenen Schuldgefühle nur noch. »Okay, du hast mangelnde Menschenkenntnis bewiesen, indem du ihn weiter beschäftigt hast. Ich allerdings auch, indem ich ihn vor aller Augen rausgeschmissen habe. Das könnte der Auslöser gewesen sein.«
»Ich sehe Mick immer wieder vor mir, wenn ich die Augen schließe.« Jamisons Stimme klang gepreßt. »Wie er ausgesehen haben muß, als Lipsky und das Pferd mit ihm fertig waren. Das hätte nie passieren dürfen, Gabe.« Er
seufzte. Darauf gab es keine Antwort, das wußte er. »In dreieinhalb Wochen findet das Derby statt. Double muß bis dahin in Form sein, und es ist mein Job, ihn soweit zu bringen. Aber immer, wenn ich ihn ansehe, muß ich daran denken, wie stolz Mick darauf war, ihn zu betreuen.«
Ohne etwas zu erwidern, blickte Gabe über die Hügel. Das war seine Heimat. Das Derby bedeutete ihm mehr als nur ein bloßes Rennen. Für ihn war es wie ein Heiligtum, nach dem er sein ganzes Leben lang gesucht hatte.
Und jetzt, nach vielen Kämpfen und Anstrengungen, nach fünf Jahren harter Arbeit, hatte er dieses Ziel beinahe erreicht.
»Double muß starten, Jamie. Wenn du nicht mit ihm arbeiten kannst, teile ich ihn Duke zu.« Duke Boyd, der Assistenztrainer, war ein kompetenter Mann, das wußten sowohl Gabe als auch Jamison. Doch ihm fehlte jene besondere Gabe, die Jamie in die Wiege gelegt worden war. »Er muß für Churchill Downs in Form gebracht werden, egal
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