Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
nein.«
»Wissen Sie was, Mr. Slater? Ich mag Sie.«
»Tatsächlich?«
»Tatsächlich.« Rossi schenkte ihm eines seiner seltenen Lächeln. »Einige Leute weichen allen Fragen aus, andere stottern herum, wieder andere winden sich wie die Aale. Sie tun nichts von alledem.« Rossi entfernte einen Fussel von seinem Hosenbein. »Sie haben diesen Kerl gehaßt und geben offen zu, daß sie gern mit ihm abgerechnet hätten,
wenn Sie die Gelegenheit dazu bekommen hätten. Deshalb glaube ich Ihnen.« Er erhob sich. »Nun kann es trotzdem sein, daß Sie mich an der Nase herumführen. Aber ich würde auf jeden Fall herausfinden, wenn Sie dem Motel einen kurzen Besuch abgestattet haben.« Nachdenklich musterte er Gabe. »Doch das halte ich für unwahrscheinlich. Ein Blick durch den Spion, und Lipsky hätte sich in seinem Zimmer verschanzt. Haben Sie was dagegen, wenn ich jetzt mit Ihren Männern spreche?«
»Nicht das geringste.« Gabe blieb sitzen, Rossi kannte den Weg. Er schloß die Augen und versuchte, sich zu entspannen.
Er gab Rossi eine Stunde, ehe er selbst zu den Ställen ging. Gerüchte und Vermutungen, die ein derartiger Todesfall unweigerlich mit sich brachte, lagen in der Luft. Die Männer unterbrachen ihre Gespräche, sobald sie Gabe bemerkten, und bemühten sich, einen beschäftigten Eindruck zu machen.
Jamison redete mit Matt über den verletzten Hengst.
»Die Entzündung ist weg«, sagte Matt gerade, »und die Wunde heilt gut. Wir werden einmal am Tag den Verband wechseln und ihm weiter ein Antiseptikum geben.«
»Behält er eine Narbe zurück?«
Matt nickte und begutachtete die lange Schnittwunde. »Höchstwahrscheinlich.«
»Eine gottverdammte Schande.« Jamison griff nach einer Spritze, um die Wunde anzufeuchten. »So ein Prachtpferd wie dieses!«
»Das hebt sein Ansehen«, kommentierte Gabe, packte Double am Halfter und strich ihm so liebevoll über den Kopf, wie ein Mann sonst nur eine Frau liebkost. Der Hengst reagierte auf diese Geste, indem er Gabe spielerisch anstupste. »Kampfspuren«, brummte Gabe. »Sie werden seine Leistung nicht beeinträchtigen. Wann kann man ihn wieder reiten?«
»Nicht so hastig!« Matt sprang zur Seite, als Double nach seiner Schulter schnappte. Die Zähne verfehlten ihr
Ziel nur knapp. »Der muß mich immer ärgern. Am liebsten würdest du mich zum Abendbrot verspeisen, was, Freundchen?« Er gab dem Hengst einen gutmütigen Klaps auf den Hals, nachdem er sich vergewissert hatte, daß Gabe ihn festhielt. »Er wird in Kentucky starten können, Gabe. Ich wette ja nicht, sonst würde ich ein paar Dollar auf ihn setzen.«
Gabe nahm Matts Diagnose zur Kenntnis und wandte sich an seinen Trainer: »Jamie?«
»Ich habe ein neues Trainingsprogramm für ihn ausgearbeitet. Wir müssen es mal versuchen.«
»Das wär’s dann wohl. Hat Rossi mit dir gesprochen?«
Jamisons Augen funkelten grimmig, als er einen neuen Verband anlegte. »O ja, der war hier und hat eine Menge Fragen gestellt. Alle hat er durcheinandergebracht. Peterson nahm an, daß eine Gangsterbande dahintersteckt. Kip dachte, es sei eine Frau. Lynette wollte sich das nicht bieten lassen und hat ihm ordentlich die Leviten gelesen. Jeder ergreift in irgendeiner Weise Partei.«
»Keiner hält es für Selbstmord?«
Jamison warf Gabe einen vielsagenden Blick zu und trat aus der Box: »Keiner, der ihn kannte.«
»Er hätte sich das Gift besorgen können«, gab Matt zu bedenken. »Er kannte die Wirkung und hat sicher auch damit gerechnet, daß er seiner gerechten Strafe nicht entgeht.«
»Ein Typ wie Lipsky hätte auf jeder Rennbahn untertauchen können.« Jamison schaute zu dem Pferd. Er versorgte Doubles Wunden selber, gewissermaßen als Buße für seine Mitschuld. »Ich hätte den Kerl schon vor Monaten feuern sollen, dann wäre das alles nicht passiert, und Mick würde auch noch leben.«
»Das ist nicht mehr zu ändern«, meinte Gabe, »aber der Fall ist noch nicht abgeschlossen. Es bleibt die Frage, wer Lipsky seinen letzten Drink gegeben hat.«
»Weißt du, was ich Rossi gesagt habe?« Matt kratzte sich beim Hinausgehen am Kinn. »Es muß jemand gewesen sein, der etwas von Pferden versteht und Zugang zu
den Medikamenten hat.« Er lächelte gequält. »Was den Kreis der Verdächtigen auch nicht einschränkt.«
»Wir alle gehören dazu.« Gabe sah, wie Matts Kinnlade herunterfiel. »Und Hunderte andere Personen. Danke fürs Vorbeikommen, Matt.«
Matt schluckte nervös: »Keine Ursache. Ich schau’ in
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