Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
Tochter in die Augen. »Damit könnte ich jetzt anfangen, wenn du mich läßt. Möchtest du sie haben?«
»Sie haben?« Überwältigt starrte Kelsey ihre Mutter an. »Honor? Du willst mir Honor schenken?«
»Ich möchte gern, daß du sie annimmst. Ohne jede Verpflichtungen. Es dürfte zwar fast unmöglich sein, ein Pferd in einem Apartment zu halten«, fuhr sie betont gelassen fort, »aber sie kann ja hierbleiben, solange du willst, und Moses kann sie weiter ausbilden. Aber sie gehört dir, wenn du magst.«
Voll widersprüchlicher Gefühle stieg Kelsey langsam ab. Ihre Hände umklammerten die Zügel, und sie fühlte den warmen Atem der Stute in ihrem Nacken.
»Ich nehme sie furchtbar gern. Danke!«
»Das freut mich. Ich muß zurück, hab’ eine Verabredung zum Lunch.«
Kelsey blieb unschlüssig stehen, dann drückte sie plötzlich Moses die Zügel in die Hand und lief hinter ihrer Mutter her, die mit weitausgreifenden Schritten davoneilte. Als sie Naomi erreicht hatte, tat sie etwas, was ihr auf einmal die natürlichste Sache der Welt zu sein schien: Sie küßte sie.
»Danke«, wiederholte sie, und Naomi umarmte sie fest und innig.
»Tut mir leid«, murmelte Naomi dann, als ob es ihr leid täte, und ließ sie rasch los. »Ich werde sofort die Besitzurkunde umschreiben lassen. Bin spät dran«, fügte sie
hinzu, mühsam ihre Gefühle beherrschend, und lief davon.
Kelsey stand hilflos da, blickte ihr nach und wünschte, sie könnte diese Frau, die ihr das Leben geschenkt hatte, verstehen.
»Ich weiß nicht, was ich machen soll!«
»Du machst es genau richtig.« Moses übergab ihr die Zügel. »Und jetzt geh und versorge dein Pferd.«
13
Die Tage flogen schnell dahin. Kelsey hatte ein eigenes Pferd, eine vielversprechende Romanze mit einem faszinierenden, wenn auch unberechenbaren Mann und eine Mutter, die ihr nahestand und die sie allmählich zu lieben begann.
Das hatte sie nicht erwartet. Naomi zu respektieren vielleicht, denn mit einer Frau wie Naomi so eng zusammenzuleben, ließ die widersprüchlichsten Gefühle entstehen.
Ihr blieb jedoch nicht viel Zeit, um lange darüber nachzugrübeln. Die Eröffnung des entscheidenden großen Derbys rückte näher, und sowohl auf Three Willows als auch auf Longshot ging es zu wie in einem Taubenschlag.
Obwohl sie es nie zugegeben hätte, sah Kelsey im Geiste schon Honor als Sieger aus vielen Derbys hervorgehen. Heute würden sie beide einen wichtigen Schritt in diese Richtung tun.
Draußen auf dem Übungsplatz von Three Willows hatte man eine originalgetreue Startbox aufgebaut. Obwohl sich der eisige Griff des Winters langsam lockerte, war die Luft noch kühl. Kelsey zupfte nervös an ihrer Jacke und hoffte, daß sich ihre Anspannung nicht auf Honor übertrug.
Ein Vollblut ist der geborene Renner, erinnerte sie sich. Die heutige Übung war nur dazu gedacht, Honor mit den äußeren Bedingungen vertraut zu machen. Alle guten Erbanlagen verhalfen einem Galopper nicht zum Sieg, wenn er nicht vorher gelernt hatte, was es mit diesem Stahlkäfig auf sich hatte, und daß das eigentliche Rennen erst begann, wenn die Boxen sich öffneten.
»Hab’ gehört, du hast hier einen künftigen Champion.« Gabe schlenderte zu ihr und rieb mit der Hand über die Nase des Jährlings. Honor legte die Ohren an, beäugte Gabe und stupste ihn dann leicht an, als ob ihr sein Geruch und seine Berührung gefielen.
»Da hast du richtig gehört.« Besitzergreifend legte Kelsey eine Hand auf Honors Halfter. »Ich hab’ dich schon ein paar Tage nicht gesehen.«
»Hast du mich vermißt?«
»Dazu hatte ich gar keine Zeit.« Kelsey war froh, daß sie nicht zu den Frauen gehörte, die sehnsüchtig wartend neben dem Telefon hockten. »Wir haben gerade allerhand um die Ohren.«
»Und wir lassen Double wieder voll trainieren.«
Spontan ergriff Kelsey seine Hand. »Das ist ja großartig! Ich freue mich so für dich!«
Er zog ihre Hand an seine Lippen: »Ich erinnere dich daran, wenn er das Derby gewonnen hat.«
»Mein Geld habe ich auf Pride gesetzt.« Genau wie ihr Herz. »Aber vielleicht lege ich was beiseite, um es auf Double zu setzen.«
»Wir schicken ihn jetzt zum Rennen nach Keeneland. Jamie möchte ihn auf Herz und Nieren prüfen, ehe er bei den Bluegrass Stakes antritt.«
»Fährst du mit?« erkundigte sie sich beiläufig.
»Wo das Pferd hingeht, gehe auch ich hin, und das bedeutet in den Siegerring von Churchill Downs.« Er strich ihr über das Haar, so wie er eben das Pferd
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