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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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König.
Er stand am Notenpult, die Flöte in der Hand.
    Friedrich war
sechsunddreißig Jahre alt, wirkte aber wie ein deutlich betagterer General, der
jeden Moment ins Feld ziehen wollte. Er trug Reitstiefel zum blauen Uniformrock
mit rotem Kragen und Hut. In den acht silberfarbenen Zacken des sternförmigen
Adlerordens an seiner Brust spiegelte sich das Licht, das von den geöffneten
Fenstertüren hereinfiel. Seit den Schlesischen Kriegen pflegte sich der Monarch
stets militärisch zu kleiden.
    Kaum waren sie alle
sechs im Saal, erfolgte die gemeinsame Verbeugung, auf die Seine Majestät wie
so oft ungeduldig reagierte. »Lassen Sie uns beginnen, meine Herren.« Er nickte
Quantz kurz zu, der ihm einen vorbereiteten Stapel mit den Solostimmen auf das
prachtvoll mit Intarsien verzierte Pult legte.
    Graun, Benda und
Engke standen bereit, Bach saß am Klavier, Mara neben ihm.
    »Was haben Sie
mitgebracht, lieber Quantz?«
    »Ein neues Konzert,
Majestät.«
    Der König überflog
die Noten. »Oh, und Sie möchten, dass wir es probieren?«
    »Es wäre eine
Freude, Majestät.«
    Allen Beteiligten
war klar, dass diese Unterhaltung nur ein Spiel war, so etwas wie inszenierte
Höflichkeiten. Selbstverständlich besaß Quantz nicht die Macht, sich zu
wünschen, was der König spielen sollte. Es wurde befohlen. Doch indem Friedrich
nach der Meinung seines Untergebenen fragte, entstand der Schein eines
kollegialen Miteinanders.
    »Ich hoffe, Sie
haben es so gesetzt, dass ich mich nicht blamiere? Es wäre zu schade – gerade
vor dieser erlesenen Schar von Meistern der Tonkunst. Was glauben Sie?«
    »Das werden Sie auf
keinen Fall, Eure Majestät«, erwiderte Quantz, wie es von ihm verlangt wurde.
    »So ist es eher zu
leicht für mich? Das wäre nun auch nicht in meinem Sinne.« Friedrich, der
deutlich kleiner als Quantz war, sah stirnrunzelnd zu ihm hinauf. »Nur wer
kämpft, kann besser werden. Haben Sie das nicht stets gesagt, als Sie mich mit
Ihren Etüden quälten?«
    Quantz schwieg. Es
waren nur rhetorische Fragen, wie der König sie liebte. Er erwartete keine
Antworten.
    »Aber was hilft
alles Theoretisieren? Probieren geht doch immer noch über Studieren, nicht
wahr, meine Herren? Beginnen wir.«
    Sie stimmten sich
kurz ein. Der König prüfte mit ein paar Tönen seine Flöte. Quantz begab sich
auf seinen Platz neben dem Kamin. Hier hatte er stehend das Spiel Seiner
Majestät zu verfolgen und – natürlich wohlwollend – zu beurteilen. Nur ihm
allein war das erlaubt.
    Friedrich spielte
das Konzert nicht schlecht, wenn man bedachte, dass er es prima
vista vorgesetzt bekommen, die Noten also nie zuvor gesehen hatte.
Quantz hatte natürlich vorgesorgt. Im Solopart hatte er in dem freien
Passagenwerk eine Fülle an Tonkombinationen verwendet, die der König seit
Jahren besonders fleißig übte und die ihm daher gut in den Fingern lagen.
Trotzdem fehlte ihm die Brillanz, über die Quantz selbst verfügte. Der langsame
Satz lag ihm am meisten, doch als es ans Finale kam, leistete sich Seine
Majestät einen schweren Patzer. Mitten im zweiten Solo musste er abbrechen. Die
Musiker reagierten sofort und nahmen die Hände von den Instrumenten.
    In die eintretende
Stille hinein sagte Friedrich: »Noch einmal. Den letzten Satz.« Diesmal
meisterte er alle Passagen. Als der letzte Ton verklungen war, applaudierte
Quantz verhalten.
    »Das werde ich noch
ein wenig öfter exerzieren müssen, bis ich es wirklich beherrsche«, gab
Friedrich zu. »Ich werde mich in meinen Mußestunden darum kümmern.«
    Er sichtete die
anderen bereitliegenden Noten – Stücke, die Wochen oder Monate alt waren.
Quantz hatte auch des Königs eigenes C-Dur-Konzert bereitgelegt, das in fast
allen Kammerkonzerten aufgeführt wurde, denn Seine Majestät war sehr stolz
darauf. Offenbar hatte er vergessen, dass Quantz ihm damals beim Komponieren –
mehr als ein Jahr war es her – kräftig unter die Arme gegriffen hatte.
    Die Spannung, wie
Friedrich das neue Werk aufnehmen würde, war verflogen. Nun konnte sich Quantz
voll und ganz der Kunst seiner Musiker hingeben, die nun mit dem nächsten Stück
begannen. Ja, sie alle waren seine Musiker – auch der
König selbst.
    Er hätte es nie
ausgesprochen, dies niemals öffentlich für sich beansprucht, aber er hatte den
König, zumindest was dessen musikalische Seite betraf, gemacht .
Und wenn der König in seinen einsamen Stunden an der Flöte die Kraft sammelte,
die ihn befähigte, Kriege gegen seine Feinde zu

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