Schatten über Sanssouci
die preußische Hauptstadt ein wenig zusammen. Er
hätte die Zeit lieber zum Komponieren benutzt. Aber er musste gehorchen.
»Danke, das wäre alles«,
sagte Friedrich.
Quantz verbeugte
sich und ging rückwärts zur Tür. Der König beachtete ihn nicht weiter. Er hatte
sich Papieren zugewandt, die auf dem Schreibtisch lagen.
Die Musiker saßen
bereits in den wartenden Kutschen, die im letzten Licht des Tages wie dunkle
Klötze auf dem Ehrenhof standen, die reglosen Pferde davor.
Als Quantz einstieg
und sich neben Bach zwängte, erklang aus Richtung der Stadt ferner Lärm –
prasselnde Trommeln, ein dumpfer Kanonenschuss.
Es war
Zapfenstreich. Die Soldaten mussten in ihre Quartiere. Die Wachpatrouillen
begannen, die Wirtshäuser abzusuchen, um Spätheimkehrer einzusammeln. Auch die
Bürger hatten jetzt ihrer Pflicht nachzukommen und sich in die Wohnungen
zurückzuziehen.
»Man könnte glauben,
es herrsche immer noch Krieg«, murmelte Bach. »Dabei hat der König die Kaiserin
besiegt, und wir leben im Frieden.«
Quantz sagte nichts.
In ihm tönten die Melodien der Konzerte nach. Die Kutsche fuhr mit einem Rucken
an.
Quantz betrat
sein Haus, schloss ab und ging an der Stube mit den schlafenden Grenadieren
vorbei die Treppe hinauf. Mit jedem Schritt fiel das Gefühl des Stolzes, seiner
eigenen Musik in der königlichen Interpretation gelauscht zu haben, von ihm ab.
Ein dumpfer Nachklang blieb – die Sticheleien von Bach und die offensichtliche,
wenn auch unausgesprochene Missachtung der anderen.
Er machte sich
nichts vor. Er wurde wesentlich besser bezahlt als die anderen. Er hatte
weniger anstrengende Pflichten, da er nur seiner Eingebung zu gehorchen
brauchte – zumindest in den Augen derer, die täglich musizieren mussten, und
das nicht nur im Kammerkonzert Seiner Majestät, sondern auch bei großen
repräsentativen Anlässen und in der Oper. Und sie hielten es für leicht, alle
paar Tage eine gute Viertelstunde Musik zu komponieren, die dem König gefiel.
Oben wartete Sophie.
Sie hatte im ganzen Treppenhaus die Kerzen angezündet, um ihm ein festliches
Willkommen zu bereiten. Das Leuchten in ihren Augen versprach weitere Freuden,
die diese Nacht für ihn bereithielt.
»Du sollst nicht so
viel Licht anzünden«, sagte er. »Wie schnell könnte ein Brand ausbrechen.«
Ihr Blick zeigte
Enttäuschung, und sofort bereute er seine Worte. »Vergib mir«, fügte er schnell
hinzu. »Du weißt, ich kann so viel offenes Feuer schlecht ertragen …«
In seiner Jugend
hatte er einmal einen Brand erlebt, in Radeberg, wo er Stadtpfeiferdienste
geleistet hatte – damals noch ein siebzehnjähriger Niemand, der von der großen
Musikerkarriere träumte. In der Johannisnacht hatte der Blitz eingeschlagen und
in Windeseile die ganze Stadt in Brand gesetzt. Auch das Haus, in dem Quantz in
einer kleinen Stube unter dem Dach hauste und seine ersten Kompositionen zu
Papier brachte.
Wie aus einem Traum
war er aufgeschreckt, als die Glocken ertönten und die Rufe »Feuer, Feuer« zu
hören waren. Als er auf die Straße trat, hatte schon der Rauch zwischen den
Häusern gelegen. Seine Noten und seine Musikinstrumente – eine Geige und eine
Oboe – waren in den Flammen geblieben. Noch heute sah er sich durch die Gassen
kämpfen, dem Stadttor zu und dann hinaus, nur weg von der höllischen Hitze, die
alles zu versengen drohte. Er hatte nur sich selbst und das, was er auf dem
Leib trug, retten können.
Sophie servierte im
Speisezimmer ein einfaches Mahl – wohl wissend, dass Quantz mit vollem Magen
nicht gut arbeiten konnte. Und in die Arbeit stürzte er sich immer, wenn er von
den Konzerten des Königs kam. Auf dem Tisch standen Brot, Käse und Rotwein. Auch
diese kulinarische Vorliebe hatte er von seinen vielen Reisen mitgebracht. Die
Art der Abendmahlzeit stammte aus Italien. Für Quantz beschwor der würzige
Geschmack ein wenig von dem Zauber der Nächte herauf, die er an den
venezianischen Lagunen, zwischen römischen Ruinen oder an der Küste bei Neapel
erlebt hatte. Auch wenn der etwas blasse Rotwein, den er hier in Preußen
genoss, von der Ahr, der Käse aus Brandenburg und das Brot aus Potsdam kamen.
Später, in seiner
Komponierstube, stand er vor dem Stehpult, nahm die Feder, tauchte sie ein –
und ließ sie über dem linierten Papier schweben. Die Lust, etwas zu schaffen,
die bei seiner Heimkehr noch ganz deutlich zu spüren gewesen war, hatte sich
verflüchtigt. Die Bemerkung Seiner Majestät, er solle ein neues
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