Schatten über Sanssouci
Werk
komponieren, war nichts als ein mit der Verzierung der Höflichkeit verbrämter
Befehl.
Quantz biss sich auf
die Lippe und schloss die Augen. Die Erinnerung an den Blick des Königs lastete
auf ihm wie ein Gewicht. Kurze, harmlose Melodien erschienen in seinen
Gedanken, kleine rhythmische Anläufe, die ihn umflatterten wie ein
Vogelschwarm, doch er bekam nichts zu packen. Keine Idee wollte sich zu einem
ordentlichen Thema entwickeln.
Nur acht Takte,
zwölf … Wenn er etwas Substanzielles in dieser Länge schuf, konnte er ein
ganzes Konzert zum Abspulen bringen, da war er sich sicher.
Aber keine Fanfaren.
Kein Reglement. Unvorhersehbar sollte es sein. Und trotzdem schön und passend
für den königlichen Rahmen. Der König wollte Originalität.
Die Worte Seiner
Majestät ertönten in seinem Ohr und brachten den Vogelschwarm zum Schweigen.
Quantz wischte sich
den Schweiß von der Stirn, er biss die Zähne zusammen. Und schrieb, was ihm
gerade in den Sinn kam. Er hatte das Gefühl, eines dieser kleinen gefiederten
Biester zu packen und trotz heftiger Gegenwehr festzuhalten. Doch der Gewaltakt
ließ es sterben. Die paar Punkte, die auf dem Papier standen, waren nichts.
Leeres, trockenes Getön.
Er ging im Raum auf
und ab. Schließlich verließ er das Zimmer. Wenn er auf diese Weise keine Idee
fand, hatte er eine Notlösung in petto.
Mit dem
Kerzenleuchter in der Hand stieg er die Holztreppe hinunter. Neben der
Soldatenstube, auf der rückwärtigen Seite des Hauses, hatte er sich eine Werkstatt
eingerichtet, wo er die königlichen Flöten baute.
Friedrich stellte
ihm die Hölzer als Rohlinge, die man Kanteln nannte, zur Verfügung. Es waren
längliche, viereckige Stücke aus Buchsbaum, Ebenholz oder sogar aus dem aus
fernen afrikanischen Ländern stammenden Grenadill.
Quantz drehte sie
auf einer Werkbank rund und bohrte sie mit streng gehüteten
Präzisionswerkzeugen, den löffelförmigen Räumern, zu wahren Wunderwerken. Die
Kunst bestand aber nicht nur darin, die etwa einen Daumen breite Innenbohrung
vorzunehmen, sondern auch die insgesamt acht Löcher so zu setzen, dass man mit
der fertigen Flöte reine Töne hervorbringen konnte.
Vor zehn Jahren
hatte Quantz damit begonnen, sich diese Kunst anzueignen, und er hatte es zur
Meisterschaft gebracht – vom Aussuchen des Holzes über das Kochen der Rohlinge
in Leinöl bis hin zur eigentlichen Bohrung und Verzierung der vier Teile mit
Elfenbeinringen.
Wenn er entspannt
arbeitete, brauchte er eine Woche für ein Instrument. Doch wenn der König es
befahl und Quantz konzentriert war, gelang es ihm auch, eine Flöte innerhalb
von vierundzwanzig Stunden herzustellen.
Er betrat den
kleinen Raum, stellte den Leuchter ab und legte das Notenpapier neben die
sauber aufgeschichteten Kanteln. Am besten ließ sich Ebenholz verarbeiten.
Quantz mochte es auch deshalb gern, weil es bei der Bohrung einen
exotisch-süßen Duft von sich gab, der später auch noch von dem fertigen
Instrument ausging.
Er zwängte sich
mühsam hinter die Werkbank. Sie war so aufgestellt, dass das Licht vom Fenster
über seine Schulter fiel. Doch für die ersten rohen Arbeiten reichte der Schein
des Kerzenleuchters vollkommen aus.
Er streifte den
rechten Schuh ab, um den Metallmechanismus zu bedienen, der das Schwungrad
antrieb. Mit einem leisen, regelmäßigen Schaben begann es sich zu drehen.
Er hörte eine Weile
zu und stoppte, um das Holz einzuspannen. Es würde gleich ein etwas lauteres
Geräusch folgen. Hoffentlich hatten die Grenadiere einen tiefen Schlaf.
Die konzentrierte,
ruhige Arbeit an den Flöten und der Rhythmus der Werkbank sorgten oft dafür,
dass Quantz den Kopf für musikalische Ideen freibekam. Melodiefetzen, denen er
mühsam nachgejagt war, kamen plötzlich von selbst zu ihm. Wie scheue Tiere oder
Nymphen, die man erst hervorlocken musste.
Das Schleifen war
jetzt in einen sanften Dauerton übergegangen, der regelmäßige Antrieb der
Werkbank sorgte für einen dumpfen Herzschlag darunter. Es war ein gemütliches,
einlullendes Andante, vielleicht ein Allegretto. Und langsam bildeten sich
musikalische Themen, die sich sanft auf den pulsierenden Rhythmus legten.
Er schreckte auf,
als sich vor ihm etwas bewegte. Eine weiße Gestalt stand vor ihm. Ein, zwei
Atemzüge lang setzte sein Herz aus, er hob den Fuß, das leerlaufende Pedal
knallte gegen seinen Zeh. Die Maschine stoppte. In Quantz’ Ohren blieb ein
intensives Rauschen zurück.
»Andreas«, stieß er
hervor. »Du
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