Schatten über Sanssouci
vom Haken zu nehmen und die Haustür
aufzuschließen.
Auf der Straße am
Kanal war alles still. Das Wasser in dem Graben war nur zu erahnen. Die
Öllampen standen in großen Abständen einsam da. Quantz versuchte, etwas zu
erkennen. In Richtung Kellertor schien sich ein Schatten zu bewegen.
Zuerst kam es Quantz
unangemessen vor, loszurennen wie ein Rekrut beim Manöver. Wenn er auf eine
Patrouille stieß, würde man ihn als verdächtig einschätzen. Aber das war bei
jedem der Fall, der sich nachts auf den Straßen Potsdams aufhielt. So wechselte
Quantz vom schnellen Gehen zum Trab.
Ein Stück von der
Berlinischen Brücke entfernt trat Andreas’ helle Gestalt für einen Moment in
den Kegel einer Laterne. Von dort hinten war es nicht weit bis zum Berliner
Tor. Die Wahrscheinlichkeit, auf Soldaten zu treffen, wuchs mit jedem Schritt.
Andreas schien das zu wissen. Er kauerte sich an der Brücke in den Schatten
eines der Bäume, die die Straße am Kanal säumten, sah sich kurz um und rannte
los in Richtung der älteren Stadt.
Quantz erreichte die
Brücke. Weiter hinten die Berliner Straße hinab war eine Ecke des hell
erleuchteten Schlosses sichtbar. Zu Füßen der Mauer standen Soldaten. Andreas
war verschwunden.
Quantz atmete
schwer, und schon begann das Spiel von Neuem. Aus der Häuserfront vor dem
Schloss löste sich eine Silhouette, und dann – Quantz musste mehrmals blinzeln,
weil er dachte, sich zu irren – erschien eine zweite, rundlichere Figur. Sie
nahm nun die Verfolgung des Lakaien auf, der um die nächste Ecke bog. Als
Quantz mit heftigem Seitenstechen dort ankam, waren beide verschwunden –
Andreas und der Unbekannte, der ihn verfolgte.
Irgendwo hinter den
Häusern ertönte ein schwacher, ferner Ruf. Quantz lauschte. Doch just in diesem
Moment setzte das Glockenspiel der Garnisonkirche ein. Sie befand sich weit
weg, jenseits des Schlosses, auf der anderen Seite vom Alten und Neuen Markt, doch
ihre Choralmelodien wehten regelmäßig über die ganze Stadt hinweg. Er hatte
sich angewöhnt wegzuhören, wenn das silberne Geklingel begann, doch jetzt
dröhnte ihm die Melodie des Kirchenliedes »Lobet den Herren« geradezu in den
Ohren.
»Wer da? Parole!«
Drei Soldaten hatten
sich ihm geräuschlos genähert. Sie trugen hohe Blechhüte, die an steife,
aufgerichtete Zipfelmützen erinnerten und oben in einem Wollpuschel endeten.
Die Farben dieses seltsamen Zierrats zeigten die Zugehörigkeit zu bestimmten
Einheiten – ebenso wie die weißen oder gelben Hosen. Quantz hatte den Sinn
dieser Erkennungszeichen der Regimenter und Bataillone und der Dienstgrade und
Waffengattungen nie verstanden. So lächerlich er insbesondere die Blechmützen
empfand, so sehr schüchterte ihn der Trupp ein – zumal zwei der Soldaten ihm
die Gewehre mit den Bajonetten gesenkt entgegenhielten. Die Spitzen schwebten
drei Fingerbreit vor seinem Bauch.
»Parole!«, brüllte
einer erneut.
»Sehen Sie nicht,
dass ich Zivilist bin?«
»Zapfenstreich war
vor Stunden. Es hat schon elf geschlagen. Was will Er noch auf der Straße?«
»Ich sah einen
entsprungenen Lakai …«, murmelte Quantz, doch die Worte kamen ihm sinnlos vor.
Sie würden Andreas ohnehin aufgreifen. Der Verfolger musste ein Soldat gewesen
sein.
»Lauter«, befahl der
Grenadier.
Vom Schloss her
näherten sich weitere Männer. Einer trug anstatt des Blechhutes einen
eleganteren Dreispitz. Ein Offizier. Mit ihm würde Quantz vielleicht vernünftig
reden können.
»Lass gut sein,
Kerl«, sagte der Offizier dann auch. »Das ist Herr Musikus Quantz, ich kenne
ihn.«
Die Bajonette
senkten sich.
»Sie haben nicht
hier zu sein, mein Herr. Ich denke, das wissen Sie. Was wollten Sie hier
draußen?«
»Ich hatte Konzert
beim König und brauchte noch etwas frische Luft.«
Der Offizier sah ihn
prüfend an und schien kurz über diese Entschuldigung nachzudenken. »Nun haben
Sie Ihre frische Luft gehabt.« Er gab den Männern ein Zeichen. »In die
Unterkunft eskortieren.«
Quantz ging zurück
zu seinem Haus, den Kanal entlang. Dicht hinter ihm folgten die drei
Grenadiere.
Es war doch nicht
die Wache, die Andreas verfolgt hatte. Soldaten waren immer in Gruppen
unterwegs. Aber wer hatte den Lakaien dann verfolgt? Ob ihm etwas zugestoßen
war?
Mehrmals war Quantz
versucht, die Grenadiere zu fragen, ob sie Andreas aufgegriffen hatten. Er
überlegte sogar, zurückzugehen und sich noch einmal an den Offizier zu wenden,
dem ein solcher Vorfall ja sicher gemeldet
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