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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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Tür. Das Blatt war so geschnitten, dass es genau in die
Schräge unter der Treppe passte. Mehrmals schwang er es hin und her. Das
Gewedel sorgte dafür, dass die Luft in Bewegung kam. Der üble Geruch breitete
sich noch mehr aus.
    »Monsieur, was
machen Sie denn?«, fragte Quantz. Er hielt die Hand vor die Nase. Der Gestank
wurde unerträglich.
    »Ich demonstriere,
wie gut die Tür geölt ist. Würde man das bei einer Kammer machen, die lange
niemand betreten hat? Nein. Ich bin sicher, das ist die richtige Spur.«
    Er öffnete die Tür
wieder ganz und beugte sich nach vorn, sodass sein Oberkörper in dem Verschlag
verschwand. Fluchend tastete er in dem kleinen Gehäuse herum. Schließlich
drehte er sich um und hielt eine Öllampe in der Hand.
    »Schauen Sie sich
das an«, sagte er, wobei er sich mit der Linken den Schmutz vom Rock klopfte
und mit der Rechten die Lampe schwenkte. »Diese Lampe stand dort hinten.
Blitzsauber. Außergewöhnlich, oder? Und dazu noch wohl gefüllt. Wenn ich mich
nicht irre, liegen da hinten sogar Zünder bereit.«
    Ohne Rücksicht auf
Dreck und Gestank tastete er im Dunkel der Kammer herum und erschien
freudestrahlend mit einem Packen Zündstäbchen. In aller Seelenruhe machte er
die Öllampe an. »Wie schön, dass man uns Blinden die Möglichkeit gibt, die
Dunkelheit zu erhellen und das Licht der Aufklärung leuchten zu lassen …«,
sagte er, unterbrach sich dann jedoch selbst. »Ich denke, diese Formulierung
ist missglückt. Mein Deutsch ist doch nicht so gut, wie ich manchmal wünschte.
Ich wollte sagen: Es ist eine gut eingerichtete Welt, in der diejenigen, die
für Rätsel sorgen, auch die Mittel bereitstellen, um sie aufzuklären. Aber hat
nicht schon der deutsche Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz die These
aufgestellt, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben? Ich möchte
ihm darin nicht unbedingt widersprechen. Zumal wir ja wohl in der einzigen aller möglichen Welten leben. Eigentlich ist das
eine Banalität. Allerdings wäre diese Welt noch besser, wenn alle die Ansicht
dieses Kollegen teilten. Was aber nicht jeder tut, und Leipniz doch schon
allein deshalb nicht recht haben kann, oder?«
    Quantz schwirrte der
Kopf. Plötzliche Erkenntnis schien in La Mettrie stets den Drang auszulösen,
Theorien aufzustellen und diese gleich mitzuteilen. Entweder einem Gegenüber
oder dem Papier, auf das er dann in rasender Eile seine Bücher schrieb.
    Der Franzose grinste
über das ganze Gesicht. Der Ausdruck verstärkte sich noch, als es ihm endlich
gelang, die Lampe anzuzünden. »Ein Paradoxon, lieber Herr Quantz. Und dazu ein
schönes. Sie sollten es sich merken. Man kann mit so etwas manchmal gehörig punkten.
Vor allem bei Frauen. Aber nur wenn sie – wie es auf Deutsch so schön heißt –
helle im Kopf sind. Was sie wiederum umso anziehender macht.«
    Er nahm die hell
brennende Öllampe und leuchtete in den Verschlag.
    Quantz hatte sich
inzwischen an den Gestank gewöhnt, doch ein Würgereiz ergriff ihn, als der
Franzose zwischen den Unrat griff, der nun auf dem Boden der Kammer sichtbar
wurde, und ihn beiseiteräumte.
    »Wenn man genau
hinschaut, erkennt man, dass es sich um Staffage handelt«, sagte La Mettrie.
»Eine Täuschung. Der Schmutz wurde absichtlich hergebracht, um Neugierige
abzuschrecken. Prüfen wir also, wo am meisten Zeug aufgehäuft wurde. … Aha …«
    Es rumpelte und
knirschte in der Kammer. Altes Holz rutschte zur Seite. »Schauen Sie.« La
Mettrie beleuchtete den frisch freigelegten Untergrund. »Sie müssen schon etwas
näher herankommen. Lassen Sie sich von dem Gestank nicht stören. Man gewöhnt
sich ohnehin daran. Die Nase nimmt Gerüche, die sie ständig umgeben, nach einer
gewissen Zeit nicht mehr wahr. Wussten Sie das? Das wirft doch ein ganz anderes
Licht auf Menschen, die sich ungern waschen und deshalb die ganze Gegend
verpesten. Mir liegt es ja fern, unseren Herrn König zu kritisieren, aber er
gehört ebenfalls zu den … Aha, was haben wir denn hier?« La Mettrie hatte
die Lampe abgestellt und etwas am Boden der Kammer ergriffen. Es war ein
Eisenring. Er zog daran, und sofort hob sich eine Platte in die Höhe. Sie war
aus Holz und schien nicht sehr schwer zu sein. Und auch sie machte nicht das
geringste Geräusch. »Schauen Sie sich das an, lieber Maître de Musique.«
    Quantz war näher
gekommen. Auch er stützte sich auf die Knie und nahm keine Rücksicht auf den
Schmutz, auf den Geruch noch weniger. Er spürte, wie ihn

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