Schatten über Sanssouci
seid Ihr.« Er wandte sich der Holztür zu.
»Brede, ein Wort
noch«, rief Quantz. »Sag Er mir, warum Er das getan hat. Warum verrät Er
unseren guten König? Ich habe immer große Stücke auf Ihn gehalten. Sag Er es
mir. Bitte.«
Der Fuhrmann blieb
stehen, wartete kurz, und dann drehte er sich um. Sein Gesichtsausdruck wirkte
sehr ernst. »Der König ein guter König? Das sagt Ihr, der Ihr in der Pracht des
Schlosses Musik machen dürft.« Seine Augen wurden enger. »Ein Schinder ist er.
Nicht besser als seine prügelnden Unteroffiziere. Er macht sich selbst nicht
die Hände schmutzig. Aber seine Männer marschieren in den Tod. Sieben Brüder
hatte ich. Sechs sind in Mollwitz ins Feuer gegangen. Der siebente musste durch
die Prügelgasse. Als er verblutet war, da hab ich dem König feierlich Rache
geschworen. Und ich habe geschworen, allen Grenadieren, die sich von ihm
lossagen wollen, zu helfen.«
Für ein paar
Atemzüge war es still im Raum. Brede blickte stumm zu ihnen hinüber. Dann griff
er in eine Tasche in seinem Wams, holte etwas hervor und warf es zur Eisentür
hin. Es klirrte auf dem Stein. La Mettrie hob die Lampe. »Der Schlüssel«, rief
er überrascht. Quantz blickte rasch zu Brede, doch der Fuhrmann war
verschwunden. Die massive Holztür hatte er hinter sich geschlossen.
Der Franzose angelte
sich den Schlüssel und öffnete die Kerkertür. Er rannte die Stufen hoch.
»Versperrt«, sagte er. »Er hat unser Gefängnis vergrößert, aber gefangen sind
wir dennoch.«
Quantz legte seine
rechte Hand um einen der Stäbe. La Mettrie drehte sich um. »Wahrscheinlich«,
sagte er, »haben Sie ihn mit Ihrer Aufforderung, sich zu erklären, ein wenig
erweichen können. Aber so recht will mir das alles nicht einleuchten. Worin
besteht der Unterschied, ob wir im Kerker verschmachten oder festgenommen
werden – oder in der kleinen Stube hier?«
Quantz ging zu ihm
hin und blickte hinab in den Brunnen. Das Wasser wirkte kompakt. Es schimmerte
wie schwarzes Glas. »Vielleicht wollte er uns eine letzte Chance geben? Eine
Chance zur Flucht?«
»Aber warum? Was
liegt ihm daran? Nun gut, immerhin können wir jetzt unsere Theorie überprüfen.
Ihr wirklich bis auf den Grund gehen. Was meinen Sie, lieber Maître de Musique?
Ob man durch dieses Loch wirklich auf die andere Seite der Havel gelangt?«
»Was wollen Sie
tun?«, fragte er, obwohl er die Antwort kannte. Nein, dachte er. Alles, nur
nicht in diesen Brunnen.
La Mettrie lächelte.
»Was man eben tut, um Erkenntnis zu erlangen. Sie sollten es mittlerweile
wissen.« Er stellte die Lampe auf das Mäuerchen und zog sich die Schuhe aus.
»Das ist nicht Ihr
Ernst, Monsieur!«
»Wollen Sie lieber
hier unten versauern? Wir brauchen alle Erkenntnisse,
mein lieber Freund. Erst dann können wir unsere Unschuld beweisen. Das heißt –
Ihre Unschuld natürlich. Ich als Kammerherr des Königs bin ja über alle Schuld
erhaben.« Er stand nun in Strümpfen da und lächelte Quantz verschmitzt an, als
sei das alles nur ein Spiel. Als befänden sie sich nicht in den geringsten
Schwierigkeiten. Gleichzeitig leuchteten seine Augen, als berste er vor
Unternehmungslust.
»Sind Sie sich da
sicher?«, sagte Quantz. »Immerhin sieht es für Seine Majestät jetzt so aus, als
hätten Sie mit dem angeblich verräterischen Hofflötisten gemeinsame Sache
gemacht. Das haben Sie nun von Ihrer Sucht nach Erkenntnis.«
La Mettrie sah ihn
nachdenklich an. »Sie mögen recht haben. Und so bleibt uns tatsächlich nur eine
einzige Möglichkeit.«
Er ging zu dem
Bündel Schilf hinüber und nahm einige der Stäbe. Dann zog er seinen Rock aus.
»Was ist mit Ihnen, lieber Maître de Musique? Können Sie nicht oder wollen Sie
nicht?« Als Quantz immer noch zögerte, fügte er mit einem Zwinkern hinzu: »Habe
ich Ihnen nicht vorgeschlagen, einmal in der Havel zu baden? Jetzt haben Sie
Gelegenheit dazu.«
***
Brede kletterte
schnaufend in dem engen Schacht aufwärts und kämpfte sich aus dem Verschlag
unter der Treppe hervor. Auch hier oben im Flur war es dämmrig. Die Nacht brach
langsam herein. Bald war Zapfenstreich.
»Da ist Er ja.«
Der Fuhrmann
richtete sich auf. Eine dunkle kleine Gestalt füllte den Eingang von der Straße
aus. Auch ohne die Person zu erkennen, wusste Brede, wer da vor ihm stand. Es
war der Rat Weyhe.
Brede bückte sich
und machte einen Diener. »Halten zu Gnaden, ich habe die Verräter gefangen. Sie
sind in meinem Keller.«
Der Rat schwieg.
»Soll ich Euch zu
Ihnen
Weitere Kostenlose Bücher