Schatten über Sanssouci
anderes übrig, lieber Maître de Musique. Wir müssen wohl oder übel alle
Geheimnisse dieses bemerkenswerten Kellers lüften, sonst können wir nichts
beweisen. Dass von diesem Haus Verrat gegen den König ausgeht und von hier aus
den Grenadieren zur Flucht verholfen wurde, liegt nahe. Allerdings haben wir den
Vorwurf Ihrer angeblichen Beteiligung an dem Komplott damit noch lange nicht
aus der Welt geschafft. Und wie die Soldaten letztlich aus der Stadt gekommen
sind, wissen wir auch noch nicht …«
Er nahm die Lampe.
Im Licht der Flamme glänzte das Metall der Eisenstäbe auf.
»Vorn ist die
Wachstube, dies ist das Gefängnis«, stellte La Mettrie fest. »Kommen Sie.«
Ein weiterer Gang,
nur wenige Schritte lang, führte in ein weiteres Zimmer mit Holztisch und
Stuhl. In eine Wand war eine zweite Eisentür eingelassen, hinter der sich ein
kleiner Kerker befand. Von hier aus ging es nicht weiter.
»Ein Kerker mit
allem, was dazugehört«, sagte der Franzose. »Kälte, Nässe, faules Stroh.
Wahrscheinlich gelegentlich auch Ratten. Ich denke, dass unser Freund Andreas
Freiberger hier gefangen gehalten wurde.«
»Aber wo ist er
hin?«
»Man wird ihn
weggebracht haben. Dorthin, wo man seine Fähigkeiten braucht.«
Quantz seufzte.
»Wenn wir nur eine Spur von ihm finden würden. Einen Beweis, dass er hier war.
Ein Kleidungsstück zum Beispiel.«
»Da werden wir kein
Glück haben. Lassen wir es gut sein, lieber Maître de Musique. Wir sollten uns
mit etwas anderem befassen, das mir eben aufgefallen ist.« Sie wollten
zurückgehen, da packte La Mettrie Quantz mit der freien Hand am Arm.
Von vorn, von der
Wachstube her, kamen Schritte.
»Wir müssen hier
raus«, zischte La Mettrie und zog Quantz am Rock hinter sich her. Doch da
knallte dröhnend Eisen auf Stein. Die Kerkertür war zu. Ein Schlüssel knirschte
im Schloss.
»Hallo?«, schrie La
Mettrie. Die Eisenstäbe standen so weit auseinander, dass der Franzose die
Lampe eine Armlänge in die Wachstube halten konnte. Und da auf der Treppe stand
neben dem Brunnenschacht ein grobschlächtiger Mann.
»Brede«, rief
Quantz. »Brede, Er ist das. Lass Er uns hier heraus.«
Der Fuhrmann rührte
sich nicht von der Treppe. La Mettrie rüttelte an den Eisenstäben. Brede
grinste über das ganze Gesicht.
»Was fällt Ihm ein«,
schrie der Franzose, »einen Kammerherrn und den persönlichen Musikmeister des
Königs einzusperren. Das wird Ihn teuer zu stehen kommen.«
Nun kam Brede
langsam die Stufen hinunter und setzte sich breitbeinig auf die Bank. »Ihr seid
Verräter«, sagte er. »Und Verräter gehören in den Kerker.«
»Er weiß genau, dass
das nicht wahr ist«, rief Quantz. »Wir haben alles herausgefunden. Er ist der Verräter. Er hat Andreas entführt. Und hier
versteckt. War Er auch der Unbekannte auf der Plantage?«
Bredes Grinsen fiel
in sich zusammen, und sein Blick wurde düster. »Niemand kann davon wissen«,
brummte er.
»Selbstverständlich
können wir das wissen«, schrie La Mettrie, »und Er ist ein Hornochse, wenn Er
das nicht begreift. Wir wissen alles. Dieser geheime Keller wird Seine Majestät
sehr interessieren. Und Er hat auf jeden Fall ausgespielt, denn wenn erst
einmal bewiesen ist, dass von hier aus die flüchtigen Grenadiere die Stadt
verlassen haben, dann wird Seine Majestät eins und eins zusammenzählen.«
La Mettries Tirade
würde ihnen nichts nützen, da war sich Quantz sicher. Was brachte es, in ihrer
Lage den Mann, der sie eingesperrt hatte, auch noch zu beschimpfen? Vielleicht
würden sie nie Gelegenheit haben, Seiner Majestät von dem Keller zu erzählen. Und
davon, wie die Flucht der Deserteure vonstattengegangen war. Und überhaupt … Wie
genau konnten die Soldaten die Stadtmauer überwinden? Es musste von hier einen
weiteren Ausgang geben. Einen, der vielleicht weiter in die Tiefe führte.
Plötzlich wusste Quantz die Antwort.
»Der Brunnen!«, rief
er. »Sie sind durch den Brunnen geklettert. Er besitzt eine Verbindung zur
Havel.«
»Selbstverständlich,
Herr Quantz«, sagte La Mettrie mit beißender Ironie in der Stimme. »Schön, dass
Sie auch endlich drauf gekommen sind. Und wenn ein Grenadier zu schwach auf der
Brust ist, um die lange Strecke zum anderen Havelufer zu tauchen, dann helfen
ihm die Schilfrohre.«
»Sehr gut, die
Herren, sehr gut.« Brede stand auf. »Doch diese Erkenntnis wird Euch nichts
nützen. Der Herr Rat wird Euch für die Verräter halten. Er wird dem König die
Schuldigen liefern und die
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