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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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beiden darin verschwanden, wirkte es, als
lösten sie sich in Sonnenstrahlen auf. Sekunden später war die Tür wieder zu.
Das Dämmerlicht im Vestibül erschien umso dunkler. Weyhe war mit dem König
allein.
    »Es war ein
Missverständnis«, sagte er und verbeugte sich ein weiteres Mal. »Ich bitte,
mich entfernen zu dürfen.«
    »Haben Sie mir nicht
in größten Tönen versprochen, bald Licht in das Dunkel um die Ereignisse um den
toten Lakaien zu bringen? Wollten Sie mir nicht auf dem Silbertablett
präsentieren, welche Rolle mein Musikus Quantz in der ganzen Geschichte spielt?
Haben Sie mir nicht mit Verdachtsmomenten gegen den Musikus in den Ohren gelegen,
die Sie mir bald beweisen wollten?« Der König legte die Hände auf den Rücken
und reckte den Oberkörper.
    »Wie gesagt«, sagte
Weyhe. »Ein Missverständnis. Ich hatte den Eindruck, jemand sei meinem Zugriff
entkommen. Jemand habe sich nicht um die Befehle geschert, die ich im Namen
Eurer Majestät ausgesprochen habe.«
    »Weyhe«, sagte der
König, »Sie sind wohl einem Fehler verfallen, den viele Menschen begehen, die
in meinen direkten Diensten stehen. Sie glauben, Sie hätten nun selbst etwas
von der Macht an sich, die ich von Geburt an erhalten habe. Doch dieser Schein
trügt. Ich habe mich entschlossen, diese Macht nicht zu missbrauchen. Und
soweit etwas von dieser Macht überhaupt auf meine Diener abfärbt, befehle ich
ihnen, ebenso zu handeln.«
    Der König wandte sich
ab, man öffnete ihm ebenfalls die Tür zum Marmorsaal. Einen Moment war seine
Silhouette sichtbar, dann wurde die Tür wieder geschlossen.
    Weyhe atmete tief
durch und verließ das Schloss. Seine Kutsche hatte auf dem Ehrenhof gewartet,
und er stieg ein.
    Nicht er hatte den
entscheidenden Fehler gemacht. Es waren seine beiden Helfer, die Kilian-Brüder.
Sie hatten Quantz zu früh festgenommen. Verdammte Idioten!
    Der Musikus war in
Bredes Haus gewesen, gut. Aber das war noch kein Beweis für Quantz’
Machenschaften. Der Musikus wäre vielleicht sogar in einem Verhör beim König
mit dieser Geschichte durchgekommen. Warum sollte er nicht bei Brede sein? Der
Kutscher fuhr ihn täglich durch Potsdam und hin und wieder sogar nach Berlin.
    Der Kutscher wartete
bewegungslos auf seinem Bock. Weyhe rief durch das Fenster zu ihm hinauf. »In
die Stadt! Erst zur Schlosswache.« Dort würde er sich weitere Grenadiere
bereitstellen lassen. »Und dann ins Fischerviertel.«
    ***
    Quantz und La
Mettrie traten aus der Heiliggeistkirche hinaus in die Sonne und gingen hinüber
zu Bredes Remise.
    »Ich frage mich, wo
der Kutscher ist«, sagte Quantz. »Ob er sich versteckt hat?«
    »Wahrscheinlich. Es
gibt ja genügend Möglichkeiten, wenn man sich vergegenwärtigt, was uns der Herr
Professor eben erklärt hat.«
    Quantz blieb stehen.
Als hätte das helle Licht den Verdacht, den er in der Kirche entwickelt hatte,
verblasst, keimten Bedenken in ihm auf. »Wäre es nicht besser, wir meiden
dieses Haus und seine Geheimnisse? Wenn Weyhe und seine Leute ein zweites Mal
hier auftauchen, beginnt alles von vorn. Nur dass die Grenadiere des Rats dann
gleich zwei Verdächtige verhaften können.«
    Der Franzose hatte
die Front des Hauses ins Auge gefasst, die rechte Hand ans Kinn gelegt und
dachte offensichtlich nach. »Wir müssen eben schnell sein und Brede finden, ehe
es Weyhe gelingt. Und Brede muss uns sagen, wo Andreas ist.«
    Er ging voran,
öffnete die niedrige Tür zum Stall und trat hinein. Quantz folgte ihm nach
hinten zu den Pferden. Die Tiere sahen sie ruhig an, als sie vorbeigingen. La
Mettrie öffnete die rohe Holztür zu dem Nachbarraum, wo die Kutschen standen.
    »Hier ist Brede
nicht«, sagte Quantz. »So weit war ich auch schon, bevor man mich abführte.«
    La Mettrie ließ sich
nicht beirren. Er quetschte sich zwischen den Kutschen hindurch, sah zu Boden
und hoch zur Decke. Dann bückte er sich, ging auf die Knie und blickte sogar
unter die Fahrzeuge. Das alles tat er mit großer Seelenruhe. Quantz spürte, wie
Ungeduld in ihm aufstieg.
    »Denken Sie, Brede
versteckt sich in seinen Kutschen?«, fragte Quantz.
    »Ich suche ja nicht
nur Brede«, antwortete der Franzose und wandte sich jetzt der Unterseite der
nächsten Kutsche zu. »Das müsste Ihnen ja mittlerweile klar sein. Ah, aber hier
haben wir etwas.«
    Er kniete sich hin
und kroch unter die Kutsche – das Hinterteil in die Höhe gestreckt wie ein
läufiger Fasan. Er tastete zwischen den Rädern des nächstgelegenen Fahrzeugs
herum.

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