Schatten über Sanssouci
wie der Marmor der Figuren im königlichen Schloss, und dunkle
Ringe lagen unter ihren Augen. Sie schien nicht geschlafen zu haben. Sicher
hatte sie sich Sorgen um ihn gemacht.
Die Soldaten besaßen
nicht so viel Feingefühl. Sie schoben Sophie zur Seite und rannten in das Haus.
Die Stiefel polterten auf der Treppe.
»Wollen Sie nichts
unternehmen?«, fragte Quantz den Rat. Die beiden Soldaten, die er mitgebracht
hatte, saßen immer noch auf dem Kutschbock.
»Ich unternehme ja
etwas. Ich sehe mir an, was geschieht.«
Der Offizier brüllte
von drinnen: »Verdammte Schweinerei.« Mit langen Schritten kam er
herausmarschiert und baute sich vor Quantz auf. Die Feder auf seinem Hut
schwang hin und her. »Ist Er der Besitzer des Hauses?«
»Wie gesagt, ja.«
»Wann ist Er von zu
Hause weggegangen?«
»Gestern Abend.«
»Ist das Seine
Magd?« Er deutete auf Sophie.
»Allerdings. Sie war
zu Hause.« Quantz sah sie an. »Oder nicht?«
Sophie nickte.
»Doch. Ich habe auf Sie gewartet … Sie sind nicht gekommen …«
»Ich stelle die
Fragen«, brüllte der Offizier.
»Oder ich«, warf
Weyhe ein. »Rat Weyhe, im direkten Auftrag des Königs. Sagen Sie mir, was Sie
hier wollen. Und was geschehen ist.«
Der Soldat musterte
Weyhe misstrauisch. »Sie sind Zivilist.«
»Das ändert nichts
an dem, was ich gesagt habe.«
»Also gut. Schauen
Sie es sich an. Sie können Seiner Majestät direkt Bericht erstatten.«
Er marschierte
zurück ins Haus. Weyhe, Quantz und Sophie folgten ihm.
Die Grenadiere
hatten sich in der Stube links des Eingangs versammelt. Zunächst lag die ganze
Szenerie im Dämmerlicht, doch auf Anweisung des Offiziers öffnete einer einen
Fensterladen. Nun konnte Quantz den auf dem Boden liegenden Mann erkennen. Die
gezackte Narbe neben dem Mund war deutlich zu sehen. Es war Trakow. Er lag auf
dem Rücken, den glasigen Blick nach oben gerichtet. Sein Hals und seine Brust
waren blutgetränkt. Unter ihm bildete sich eine rote Lache. Er lebte noch.
Seine Lippen versuchten, ein Wort zu formen.
Sophie schrie auf,
rannte hinaus und polterte die Treppe hinauf. Quantz beugte sich über den
Sterbenden, der immer wieder dieselben Silben hauchte. Schließlich verstand
Quantz das Wort.
»Deserteur … Deserteur …«, flüsterte der Mann.
»Zum Chirurgen
bringen, sofort«, befahl der Offizier. »Nehmt die Kutsche, die draußen steht.«
Und zu Quantz sagte er: »Raus hier, wir haben zu reden.«
Quantz wurde
weggedrängt und fand sich an der Tür zu seiner Werkstatt wieder. Der Offizier
gab seinen Männern Befehl. »Das Haus durchsuchen. Sofort. Vielleicht ist der
andere noch nicht weit. Zwei Mann zur Wache. Alarm geben. Laufschritt.«
Er wandte sich an
Quantz. »Wo kann sich der Mann versteckt halten?«
»Ich … habe
keine Ahnung.«
»Verstecke im Haus?
Keller?«
»Ja, aber –«
»Wo kommt Er her?
Warum ist Er so saumäßig dreckig?«
Quantz erklärte,
dass es heute Nacht einen Brand in Bornstedt gegeben habe und er dabei gewesen
war.
»Ich hörte davon«,
sagte der Offizier. »Kann es sein, dass Seine Magd dem Sperber zur Flucht
verholfen hat?«
»Sperber ist also … weg?«
»Hat Er’s immer noch
nicht verstanden, Mann? Die beiden sind nicht zum Appell erschienen. Das
erfordert sofortiges Nachsehen im Quartier. Trakow ist so gut wie krepiert,
Sperber verschwunden. Zwei Soldaten aus der Leibgarde Seiner Majestät. Welchen
Reim soll man sich darauf machen? Also? Was ist mit Seiner Magd?«
»Nein … Warum
hätte sie …? Und wie hätte das geschehen können? Die Tore sind verschlossen.«
»Wir werden sie
befragen.«
Der Soldat ging die
Treppe hinauf, Quantz wollte hinterher, doch da stand Weyhe neben ihm und hielt
ihn zurück. »Die Tore sind verschlossen, hm? Aber wenn jemand mit der Wache
persönlich bekannt ist, darf er auch schon mal nachts hinaus, oder nicht?«
»Was unterstellen
Sie mir, Weyhe?«
»Wurde die Kutsche
durchsucht, mit der Sie aus der Stadt nach Bornstedt gefahren sind?«
»Glauben Sie, ich
hätte den Soldaten weggeschafft und den anderen niedergestochen, während ich
mit dem König gesprochen habe oder in Ihrer Kutsche saß?«
»Oder davor? In der
Nacht? Rätsel über Rätsel, mein lieber Musikus, aber kein Rätsel ist unlösbar.«
Von oben ertönte ein
spitzer Schrei. Weyhe hielt Quantz immer noch fest. Es war überraschend, welche
Kraft der kleine Mann besaß. »Vielleicht hat Ihre Magd ja den Soldaten
niedergestochen. Oder es hat ihr jemand geholfen, der auch
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