Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
Vom Netzwerk:
Flammenhölle gestarrt hatte, waren die
Bauern angelaufen gekommen. Sie hatten mit einer Eimerkette versucht, Wasser
vom Bornstedter See herbeizuschaffen. Es dauerte lange, bis die ersten Güsse
die Scheune erreichten, die nutzlos und zischend in dem höllischen Geloder
versanken. Quantz rappelte sich auf und reihte sich mit in die Kette ein, bald
ging es schneller. Bald hatte sich dumpfes Getrappel in das Fauchen des Feuers
gemischt. Berittene Soldaten tauchten auf.
    Als irgendwann die
verbrannten Reste der Scheune in die erste Helligkeit im Osten ragten, konnte
sich Quantz nicht länger zurückhalten und ging zwischen die verkohlten Balken.
Da lag etwas Unförmiges, Qualmendes, ganz in der Nähe der Stelle, wo vorher
noch das Tor gewesen war, und verbreitete einen bestialischen Gestank. Die eine
Seite war schwarz verkohlt und hatte sich unter der Hitze zusammengezogen, auf
der anderen ragte noch ein fast unversehrter, rötlich dunkel verfärbter Arm hervor.
    Einige der Soldaten
und Bauern bekreuzigten sich. Quantz musste würgen, rannte an den Rand des
Vorplatzes zu den Büschen und übergab sich. Dann war der Offizier
zurückgekehrt, begleitet von noch mehr Grenadieren, und hatte sie alle zum
König befohlen. Bredes Kutsche hatte immer noch am Friedhof gewartet.
    Und nun stand Quantz
hier vor dem Schloss – in nach Rauch stinkenden Kleidern, verdreckt und müde.
    Kein Herrscher in
Europa hätte einen Untertanen in diesem Zustand empfangen. Schon gar nicht im
Morgengrauen. Doch Friedrich war ein König der Soldaten. Ein König, der keine
Schlacht fürchtete, sondern mitten hineinritt. Der unter seinen Männern kämpfte
und mit ihnen im Dreck litt.
    Sie wurden einzeln
oder in kleinen Gruppen in das Schloss gerufen. Erst der Bauer, dem die Scheune
gehörte. Dann Brede. Dann andere Bauern. Schließlich einige der Soldaten, die
als Erste bei der brennenden Scheune gewesen waren.
    Quantz war der
Letzte.
    Das erste
Tageslicht stand hinter den Scheiben des königlichen Schlaf- und
Arbeitszimmers. Die Vorhänge waren nur halb geöffnet. Selbst die Uniform Seiner
Majestät war nicht richtig zugeknöpft, die schwarze Halsbinde etwas schief gebunden.
Auf der Weste lagen dunkle Flecken, die Quantz zuerst für Schatten hielt. Doch
es waren bräunliche Spuren des Schnupftabaks, den der König zu sich zu nehmen
pflegte.
    Der Monarch saß an
seinem Schreibtisch. Die Uhr auf dem Dokumentenschrank gab ein lautes Ticken
von sich. Hinter dem König standen Weyhe und Fredersdorf. In der Ecke gähnte
einer der Hunde.
    Quantz verbeugte
sich. Friedrich setzte seine Kaffeetasse ab, aus der er gerade getrunken hatte,
und machte eine abwehrende Bewegung. Quantz richtete sich wieder auf und
wartete. Er versuchte, seinen trommelnden Herzschlag zu bezähmen.
    »Weyhe«, sagte der
König, ohne den Blick von Quantz zu nehmen. »Beginnen Sie.«
    Der Rat redete
gleich los. »Wir haben alle Zeugen dieses Vorfalls befragt, um uns ein Bild zu
machen, bevor wir uns mit der Aussage des Herrn Musikus befassen. Es ging uns
dabei darum, dem Herrn Musikus die Möglichkeit zu geben, auf die Aussagen der
anderen Beteiligten aufzubauen. Der Herr Musikus muss es dem Wohlwollen Seiner
Majestät zuschreiben, dass wir so verfahren sind, um die Wahrheit in all ihrer
Klarheit ans Licht zu bringen – ganz nach dem Grundsatz in
dubio pro reo … im Zweifel für den Angeklagten, wie wir es im
Römischen Recht zugrunde legen, und wie es in Ansätzen schon Aristoteles –«
    »Halten Sie den
Mund, Weyhe.«
    Der Rat verstummte
augenblicklich.
    Friedrich wandte
sich an Quantz. »Ich will keine rhetorischen Seiltänze. Was ist da oben
geschehen, Quantz? Erklären Sie es mir. Und zwar kurz und deutlich.«
    Quantz schluckte.
Sein Mund war trocken. Er räusperte sich. »Ich hatte einen Hinweis, wo sich der
gesuchte Andreas Freiberger aufhalten könnte … Ich habe ihn gesucht. Und
gefunden.«
    »Was für ein
Hinweis?«, fragte der König. »Von wem? Keine neuen Rätsel.«
    »Ich war am Abend in
der Stadt unterwegs. Ich suchte … Inspiration. Für das neue Konzert.«
    Von Weyhe kam ein
Schnaufen, das wie unterdrücktes Lachen klang.
    »Weiter«, befahl
Friedrich. »Etwas schneller. Allegro , wenn nicht gar presto .«
    »Mein Weg führte
mich zur Plantage auf dem Faulen See. Dort war ein Mann. Er sagte, ich solle
mich zum Brandenburger Tor begeben. Dort würde ich Andreas finden. Das habe ich
getan. Auf dem Weg traf ich Brede, dem ein Unbekannter befohlen hatte, mich

Weitere Kostenlose Bücher