Schatten über Sanssouci
sie
das? Sie hatte keine Ahnung von Hofintrigen, noch nicht mal die leiseste
Vorstellung, wie es zuging im Umkreis des Königs.
»Indem du zuhörst.
Wieder einmal. Setz dich.«
Sie gehorchte und
nahm Platz, aber mehr war es nicht. Sie besaß keine innere Bereitschaft. Sie
versteckte sich hinter der Fassade der Diensterfüllung. »Ich höre zu«, sagte
sie. »Bitte beginnen Sie.«
Quantz berichtete
ihr alles, was geschehen war – stockend zu Beginn, dann immer flüssiger in
seinen Ausführungen bis hin zu dem Erlebnis in Bornstedt, als er Andreas in der
Scheune entdeckt hatte. Dann das Verhör beim König. Und schließlich die
Ereignisse hier im Haus, der tote Grenadier, Weyhes Verdacht, dass Quantz etwas
damit zu tun habe.
»Unten in der
Grenadierstube muss ein Kampf stattgefunden haben. Wahrscheinlich hat Sperber
seinen Kollegen getötet, weil der ihn am Desertieren hindern wollte. Das hättest
du doch hören müssen.«
Sophie schüttelte
den Kopf. »Ich habe nichts gemerkt. Ich war in meiner Stube. Sie waren nicht
vom Konzert beim König zurückgekehrt, und ich habe mich gesorgt … Ich zog
mich zurück, habe aber nur halb geschlafen, ich habe gehorcht und gehorcht … Mehrmals
habe ich etwas auf der Straße gehört, aber nichts im Haus.«
»Draußen? Was war
da?«
»Einmal, lange nach
Mitternacht, war mir, als rolle eine Kutsche vorbei, aber vielleicht habe ich
das auch geträumt. Dann bin ich schließlich eingeschlafen. Ich wurde erst wach,
als die Soldaten gegen die Tür hämmerten. Ich habe mich nicht getraut zu
öffnen, doch dann habe ich Ihre Stimme gehört.«
Quantz starrte vor
sich hin. Nun hatte er Sophie alles berichtet, und in gewisser Weise fühlte er
sich erleichtert. Doch jetzt stand die ganze verworrene Angelegenheit in ihrer
Bedrohung umso schrecklicher vor ihm.
»Ich bin vollkommen
unschuldig, aber jemand hat die Macht, alles so zu lenken, dass die Schuld auf
mich zu fallen scheint. Jemand kann Andreas entführen, ihn töten und nach
Bornstedt schaffen. Mir auf dem Faulen See erscheinen wie ein Gespenst. Brede
beauftragen, mich mit der Kutsche abzuholen. Einen Soldaten verschwinden
lassen.«
»Glauben Sie denn,
der Tod des einen Soldaten und die Flucht des anderen stehen in einem
Zusammenhang mit Andreas’ Tod?«
»Es kann kein Zufall
sein.«
»Sie hätten nicht
auf den Unbekannten auf der Plantage hören dürfen. Die Fahrt nach Bornstedt war
ein Fehler.«
»Der Soldat wäre
trotzdem desertiert. Und ich musste doch Andreas finden. Ich dachte, wenn ich
ihn finde, kann ich meine Unschuld beweisen. Und es kam noch etwas anderes
hinzu …«
»Ja?«, fragte
Sophie, und Quantz wurde klar, dass er ihr einen Aspekt der ganzen Sache bisher
verschwiegen hatte. Die persönlichste Seite daran. »Ich glaube, ich weiß es«,
fuhr sie fort. »Sie meinen, Sie brauchten seine Hilfe bei der Musik. Weil er
Methoden für Sie erfinden kann.«
Sie hatte es genau
getroffen. Es war doch erstaunlich, was in ihr steckte. Wenn sie nur endlich
aus dieser Bedientenrolle herausfinden würde.
Und erst jetzt
berichtete er, was er in Berlin erlebt hatte. Er holte aus auf den Besuch des
großen Johann Sebastian Bach, er erklärte Sophie, dass Andreas genau das
anspruchsvolle Thema, das bei seinem Besuch eine so große Rolle gespielt hatte,
auf einen Zettel geschrieben hatte. Er ging zum Cembalo und spielte es ihr vor.
»Mir fällt keine Musik
mehr ein«, sagte er dann. »Ich habe Hunderte von Konzerten für den König
komponiert, aber irgendwann ist man auch am Ende. Doch der König steht am
Beginn einer neuen Epoche, die mit dem Bau von Sanssouci begonnen hat. Er holt
neue Geister an seinen Hof. Und vielleicht auch neue Musiker. Vielleicht eine
ganz neue Art der Musik. Niemand weiß es, denn niemand kann in den Kopf des
Königs schauen. Doch man sieht ja, was er bisher alles getan hat …«
»Mit Andreas hat es
begonnen«, sagte Sophie nachdenklich.
»Ja. Aber was heißt
das?«
»Sie haben doch die
Vermutung geäußert, dass Andreas Freiberger durch seine Stellung etwas erfahren
hat – etwas Wichtiges, etwas Staatstragendes …«
»Das liegt doch auch
nahe.«
»So sollten Sie mehr
über ihn herausfinden. Woher ist er überhaupt gekommen? Wer hat ihn gekannt?
Welche Dienste hat er verrichtet?«
»Wer soll mir das
sagen können?«
»Das weiß ich auch
nicht. Aber das ist das Einzige, das mir dazu einfällt.« Sie stand auf. »Ich
muss nun das Mahl vorbereiten.«
Er nickte. Sie ließ
ihn
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