Schatten über Ulldart
Miklanowo und Norina zusammensetzen und damit beginnen, Reformvorschläge auszuarbeiten, die ich meinem Vater unterbreiten werde, sobald wir zurückkehren. Es wäre doch gelacht, wenn wir nicht zu Lebzeiten meines verehrten Herrn Papa die ersten Änderungen angehen könnten.«
»Sicher, Herr. Und Waljakov ist der spaßigste, lustigste und ausgelassenste Mann in ganz Tarpol«, brachte Stoiko seine Zweifel zum Ausdruck. »Euer Vater ist ein Militärkopf, mit Verlaub. Bedenkt seine und Eure Abstammung und wie aufgeschlossen Eure Familie Neuerungen gegenüber war und ist. Dagegen wirkt ein Baumstamm noch leicht verbiegbar.«
»Trotzdem werden wir die Sache angehen«, entschied Lodrik. »Wir müssen ja nicht gleich mit der Pforte in den Palast fallen.«
Stoiko lachte los. »Das wird sich der Kabcar aber mächtig freuen. Er hat seinen Sohn losgeschickt, um aus ihm einen Herrscher machen zu lassen, und zurück kehrt ein junger Mann, der ihm sein Reich umkrempeln will. Ich fürchte, Oberst Mansk wird für seine Idee nachträglich den Kopf doch noch verlieren.«
Der Statthalter stimmte in das Gelächter mit ein. »Ja, das wird ihn wirklich sehr freuen.«
Den kurzen Rest der Fahrt verbrachten die beiden mit Dösen. Ab und zu erwachten sie, wenn die Kutsche zu unsanft durch ein Schlagloch rumpelte, ansonsten gaben sie sich einem Halbschlummer hin.
Am späten Nachmittag rollte das Gefährt in eine kleine Stadt mit zweihundert Häusern, Hütten und Scheunen. Schließlich hielt der Tross vor einem gewaltigen Gehöft an, das auf einem kleinen Hügel im Zentrum der Siedlung lag. Sie hatten ihr Ziel erreicht.
Schlaftrunken kletterte Lodrik aus der Kutsche und steckte sich.
Zwei Mägde, die gerade aus einer der Scheune kamen, verbeugten sich schnell und liefen tuschelnd in das große Fachwerkhaus.
Waljakov ließ die Wachen absitzen, stellte vier zur Bewachung der Kutsche ab und gab einer noch einen leisen Befehl, während der Rest den Gouverneur und Stoiko zum Haupthaus begleitete.
Einer der vier Soldaten rannte im Laufschritt zu den Ställen und kehrte gleich darauf zurück, um Waljakov Bericht zu erstatten.
»Es sind mehr Pferde da, als die Stallungen aufnehmen können«, salutierte er. »Drei davon sind noch schweißnass und werden gerade abgerieben.«
Der Leibwächter bedeutete ihm, zurück zur Kutsche zu gehen. »Herr, es scheint, als ob Ihr das richtige Gespür für Kolskoi und die anderen Verschwörer gehabt hättet.«
»Nicht so schnell«, warnte der Gouverneur. »Vielleicht nur eine Jagdgesellschaft.«
Bevor sie die Tür erreichten, trat ein Livrierter heraus und verneigte sich vor der Gruppe.
»Bring uns sofort zu Harac Kolskoi und seinen Gästen«, befahl Lodrik. »Ich bin Harac Vasja, Königlicher Statthalter der Provinz Granburg. Es reicht, wenn du uns den Weg zeigst, anmelden werden wir uns selbst.«
Der sichtlich nervöse Diener führte die drei Männer zusammen mit den acht Wachen durch eine marmorne Halle, in der kostbare Büsten und Skulpturen standen. An den Wänden hingen Porträts von den Ahnen des Adligen, kostbare Teppiche und Gobelins.
Zügig ging es quer durch einen Gang in einen großen Raum, der über und über mit Trophäen voll gestopft war. Fast alle gefährlichen Raubtiere Granburgs, von Schneeluchs über Wolf bis hin zu einem stattlichen Kullak, der böse Erinnerungen bei dem jungen Mann weckte, fanden sich in unterschiedlichen Posen und Haltungen, bestens präpariert und ohne ein Zeichen von Zerfall. Der Boden war bedeckt mit Bärenfellen, an den Wänden hingen Geweihe und Köpfe von einfachem Rotwild.
Stoiko wies auf eine mit einem Tuch verhüllte unbewegliche Gestalt, die mitten im Raum stand. »Ob das ein Dorfbewohner ist, den er versehentlich erlegt hat?«
»Das ist der Anlass, weshalb sich die Gäste versammelt haben, Exzellenz«, erklärte der Diener von der Tür aus, die nach draußen führte. »Harac Kolskoi möchte nachher seine neueste Jagdbeute präsentieren. Die Gesellschaft ist für eine Vorführung im Garten versammelt, Exzellenz.« Der Diener zog sich zurück.
»Dann wollen wir mal«, murmelte Lodrik und schritt hinaus, seine Begleiter folgten ihm.
Rund zwanzig Männer hatten sich im gartenähnlich angelegten Hof versammelt. Sie alle standen mit dem Rücken zu den Neuankömmlingen und bemerkten den Gouverneur nicht.
Ihre Aufmerksamkeit konzentrierte sich voll und ganz auf einen Mann in einer dunkelbraunen, mit Eisenplättchen beschlagenen Lederrüstung. Er legte
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