Schatten über Ulldart
verabschieden, Norina«, sagte er und trat näher. »Der Abend gestern hat mir sehr gefallen. Vor allem unser Tanz.«
»Ihr habt Euch auch nicht ungeschickt angestellt, Exzellenz«, meinte sie etwas freundlicher. »Und jetzt kehrt Ihr zurück in Euren Palast und kümmert Euch um die Belange der Provinz. Vergesst meine Ratschläge nicht.«
»Ich werde sie nicht vergessen.« Er nahm all seine Beherztheit zusammen. »Ich werde auch dich nicht vergessen.« Er hatte plötzlich eine Idee. Schnell zog er das Amulett unter seinem Harnisch hervor. »Ich möchte, dass du mein Geschenk annimmst. Es soll dir Glück bringen und dich vor allen Gefahren schützen.«
Jetzt sah sie wirklich erstaunt aus. »Das ist aber nicht notwendig, Exzellenz.« Sie nahm das Schmuckstück in die Hand und betrachtete es lange. »Ich freue mich sehr, danke, Exzellenz. Das Amulett ist sehr ungewöhnlich. Es ist bestimmt ein seltenes Stück.«
»Ich habe es auch unter geheimnisvollen Umständen erhalten.« Mehr wollte Lodrik nicht verraten, weil er fürchtete, Norina könnte die Gabe zurückweisen, wenn sie mehr erfahren würde. »Und ich möchte, dass du mich nicht immer Exzellenz nennst. Damals, im Schlafzimmer, hast du mich ja auch geduzt, warum sollte es jetzt anders sein?« Er beobachtete ihr Gesicht und die braunen Augen, die für ihn tief wie dunkle Seen wirkten. »Ich habe gründlich über das nachgedacht, worüber wir auf der Hinfahrt gesprochen haben, und ich glaube, du hast Recht.«
»Wie meint Ihr …«, sie stockte und verbesserte sich, »ich wollte sagen, wie meinst du das?«
»Tarpol hätte wirklich die ein oder andere Umwandlung nötig. Ich werde dem Kabcar entsprechende Vorschläge machen, wenn ich wieder am Hof bin. Vielleicht lässt er dich sogar zu sich bestellen, um deine Ideen mit dir durchzusprechen.«
Die junge Frau schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln und hing sich das Amulett um den Hals. Sie strich ihr rotes Kleid glatt und sah Lodrik an. »Wie steht mir dein Geschenk, Exzellenz?«
Bezaubernd, fantastisch und gottgleich waren die ersten Worte, die dem Statthalter in den Sinn kamen, trotzdem wusste er nicht so recht, was er sagen sollte.
»Keiner Frau würde der Schmuck besser stehen als dir, Norina.« Er trat einen Schritt näher und legte die Kette unter den Kragen des Kleides.
In diesem Moment sah sie ihm in die Augen, und Lodrik glaubte voller Freude, Zuneigung erkennen zu können.
»Darf ich?«, fragte er heiser.
»Was?«, flüsterte sie zurück. Der Ausdruck in ihren Augen hatte sich nicht verändert.
»Dich küssen. Ich sollte doch das nächste Mal um Erlaubnis fragen«, erinnerte er sie. Siedend heiß überlief es ihn in seiner Uniform, sein Blut pochte in den Ohren, seine Hände waren schweißnass.
Von draußen drang die Stimme des Leibwächters herein, der lautstark nach dem Gouverneur suchte und sich dabei immer weiter dem Gesellschaftszimmer näherte.
Sie atmete schneller. »Du darfst.« Sie reckte den Kopf ein wenig nach vorne.
Aber Lodrik war so überrascht, dass er nichts machen konnte.
Waljakov polterte an die Tür des Zimmers. »Herr, wir müssen jetzt los.«
Wie zur Salzsäule erstarrt stand der junge Mann vor Norina, die mit geschlossenen Augen auf ihren Kuss wartete. Er kam sich so hilflos vor wie ein hypnotisiertes Kaninchen. Doch sie nahm ihm die Entscheidung ab.
Die Arme der Brojakentochter schnellten nach vorne, ihre Hände umfassten sein Gesicht und zogen seinen Mund auf ihre Lippen, dann drückte sie ihn sanft weg.
»Geh schon, sonst fahren sie ohne dich.«
Wie betrunken taumelte der Statthalter zur Tür und öffnete sie, als der Leibwächter im Begriff war hereinzukommen.
Misstrauisch warf Waljakov einen Blick in den Raum.
Norina saß wieder hinter dem Tisch, scheinbar ins Buch vertieft und sah nicht einmal auf, während Lodrik mit einem seligen Ausdruck im Gesicht an ihm vorbeiging. Der Leibwächter schüttelte den Kopf.
»Herr, ist das hier so üblich?«
»Was denn, bester Waljakov?« Der Statthalter sah tanzende Schmetterlinge um sich herum, Sterne und Freudenfeuer. Seine Knie waren wacklig, aber er fühlte sich großartig.
Der Kämpfer griente breit. »Die Bücher falsch herum zu lesen. Ich könnte schwören, Norina hielt ihres ebenfalls verkehrt.«
Der Gouverneur zog es vor, keine Antwort darauf zu geben, sondern durchquerte zügig die Halle und stieg einfach in die Kutsche, wo Stoiko bereits wartete.
»Miklanowo wird nachkommen«, erklärte er die Abwesenheit des
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