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Schatten über Ulldart

Schatten über Ulldart

Titel: Schatten über Ulldart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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gerade einen Pfeil auf die Sehne des mannsgroßen Hornbogens und visierte ein Ziel an, das der Statthalter nicht erkennen konnte.
    Der Schütze konzentrierte sich einen Moment, dann zog er den Strang mit einer schnellen Bewegung nach hinten, visierte etwas an und ließ den Pfeilschaft los. Nach wenigen Sekunden hörte man ein quietschendes Einschlaggeräusch, als würde ein dicker Nagel mit Wucht durch ein Blech getrieben.
    Die Gäste stießen »Ohs« und »Ahs« aus, während sie applaudierten.
    Der Mann in der seltsamen Rüstung setzte die Fernwaffe ab. Gewaltige Muskelstränge, die es mit Waljakovs aufnehmen konnten, an Ober- und Unterarmen bogen das Holz zurück, die Sehne wurde ausgehängt, um das Jagdgerät zu schonen.
    Lodrik wartete, bis das Klatschen geendet hatte. Mit Elan schlug er daraufhin seine Handflächen zusammen. »Bravo!«, rief er laut. »Sicherlich ein meisterhafter Schuss, auch wenn ich nicht gesehen habe, wo er getroffen hat.«
    Kolskoi zuckte herum, als würde sich unvermittelt hinter ihm ein Ungeheuer erheben.
    »Verdammt, was … ist das für eine Ehre, Euch hier zu sehen, Exzellenz«, begrüßte ihn der Adlige, die Flügel der Hakennase blähten sich auf. »Und so unvermittelt, wie aus heiterem Himmel.«
    »Die Sonne scheint ja auch recht angenehm«, gab der junge Statthalter zurück und stieg die Stufen hinab. »Da ist es ja nicht verwunderlich, oder? Ihr dagegen wirkt, als wärt Ihr aus allen Wolken gefallen. Freut Ihr Euch nicht, Euren Gouverneur zu sehen?«
    Die Gäste verbeugten sich, als sie begriffen, wer vor ihnen stand.
    »Es ist mir eine Ehre, Euch begrüßen zu dürfen«, lächelte der dürre Mann, aber seine stechend grünen Augen verrieten ihn. Unverhohlener Hass schlug Lodrik daraus entgegen. »Ihr seid natürlich mehr als willkommen. Wenn ich Euch meine Freunde vorstellen darf.« Der Harac nannte die Namen der zahlreichen Brojaken und Großlandpächter. »Und das ist Meister Hetrál, mein neuer Jagdaufseher. Ich habe ihn angestellt, um noch dazuzulernen.«
    Der Schütze wandte sich mit einem mehr als erstaunten Gesichtsausdruck zu dem Adligen um, äußerte sich aber nicht.
    Er hatte ein völlig nichts sagendes Gesicht, das von einem dichten Bart, der um Unterkiefer und Mund wuchs, geziert wurde. Die dunkelbraunen Haare trug er in der Art eines einfachen Topfschnittes, sein linkes Auge war durch eine mit Brokatfäden bestickte Klappe verborgen. Goldene Creolen, die in den Strahlen der untergehenden Sonnen aufblinkten, schmückten seine Ohrläppchen. Unter der Lederrüstung trug er ein einfaches Hemd und eine Lederhose mit den dazu passenden Stiefeln aus weichem Leder.
    Er musterte Lodrik. Dann vollführte er eine sehr höfische Verbeugung mit Kratzfuß und passender Handbewegung, die so gar nicht zu seiner anspruchslosen Garderobe passen wollte.
    »Exzellenz, Ihr dürft es meinem Jagdaufseher nicht übel nehmen, dass er Euch nicht mit Worten begrüßt, aber er kann nicht, selbst wenn er wollte. Er ist stumm«, erklärte der Adlige die lautlose Vorstellung. »Dafür beherrscht er Lesen und Schreiben.«
    »Würden die Herrschaften ein wenig zur Seite treten, damit ich sehen kann, auf was Euer Meisterschütze geschossen hat«, bat der Statthalter die Männer, die gehorsam wenn auch zögerlich und irgendwie unruhig Platz machten.
    Waljakov atmete laut aus, als er das Ziel des Pfeils sah.
    Ein Brustharnisch war in hundert Schritt Abstand um einen Strohsack geschnallt. Genau auf der Höhe des Herzens hatte das Geschoss eingeschlagen, nur das hintere Ende mit den Federn schaute heraus.
    Lodrik sah zuerst seine Vertrauten an, dann Kolskoi. »Eine sehr ungewöhnliche Zielscheibe.« Er setzte sich in Bewegung. »Das werde ich mir aus der Nähe betrachten.«
    »Es war eine Wette, Exzellenz«, erklärte der Adlige mit versteinerter Miene. »Nur eine Wette.« Der komplette Pulk schloss zu ihnen auf.
    Die Augen des Gouverneurs verengten sich, als er den Treffer aus der Nähe sah. Was er aus seiner vorherigen Position nicht erkannt hatte, waren die anderen beiden Rüstungen, die hinter dem ersten Harnisch aufgestellt worden waren. Aus dem Letzten ragte die Spitze des Pfeils immer noch eine Fingerkuppe lang heraus, so immens war die Gewalt des Einschlags gewesen.
    »Bei Ulldrael«, entfuhr es dem Gouverneur entsetzt. »Was verschießt Euer Jagdaufseher und welchem Wild, bei allen guten Geistern, stellt Ihr nach, Kolskoi, dass Ihr solche Männer an Eurer Seite benötigt?«
    Ein paar Diener

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