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Schatten über Ulldart

Schatten über Ulldart

Titel: Schatten über Ulldart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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vormarschierten schwarzen Bauern einen weißen und bedrohte unter dem Schutz des Springers den König. »Fast, Herr.« Lodriks Figur war eingekeilt und konnte sich nicht mehr bewegen, »Carije und tot.«
    »Hoffen wir mal, dass Jukolenko ein schlechter Spieler ist«, seufzte der Gouverneur und positionierte seine Armee neu. »Diesmal mache ich es dir nicht so einfach.«
    »Da setze ich glatt wieder einen Waslec dagegen«, meinte Stoiko lakonisch.
    Nach der zehnten verlorenen Partie war sich der Gouverneur einmal mehr sicher, dass er als Herrscher zu nichts taugte. Glücklicherweise hielt die Kutsche endlich an, der Tross bereitete sich auf die einbrechende Nacht vor. An einem Gasthaus waren sie seit ihrem Aufbruch nicht vorbeigekommen, lediglich ein verlassenes Dorf hatten sie unterwegs passiert, wie Waljakov berichtete.
    Es war dem Leibwächter sichtlich unangenehm, mitten im Freien übernachten zu müssen, aber in der Dunkelheit die unbekannte Straße entlangzufahren, hielt er für mehr als töricht, weil in diesem Abschnitt der Provinz wie so oft nichts vom angeordneten Straßenbauprogramm zu spüren war. Innerlich arbeitete Lodrik bereits an einer Abmahnung, die er dem Adligen dafür erteilen wollte.
    Die Nacht verging ohne besondere Ereignisse, und so setzte die Gruppe am nächsten Morgen die Fahrt fort. Die nächsten drei Tage verliefen nach fast dem selben Schema: Schach spielen, schlafen und essen. Gegen Nachmittag des vierten Tages erreichten sie kornreiche Felder, auf denen Leibeigene bei der Arbeit waren.
    Einer der Bauern, der sich vor Demutsbezeugungen beinahe nicht mehr aus dem Staub erhob, erklärte ihnen den Weg zu Kolskois Sitz, der in etwas drei Warst Entfernung lag.
    »Da bin ich aber gespannt, mit welchen Ehren uns der Adlige empfangen wird«, rätselte Stoiko. »Vermutlich lässt er seine Hunde auf uns los. Er wird die Strafe, die Ihr damals gegen ihn verhängt hattet, nicht vergessen haben, Herr.«
    »Ich hoffe, es war ihm eine Lehre.«
    Stoiko räumte das Schachspiel weg. »Herr, Ihr habt dieses Totengerippe auf zwei Beinen ebenso aus der Nähe gesehen wie ich. Was glaubt Ihr, was dieser Mann aus der Verurteilung gelernt hat?«
    Lodrik schaute aus dem Fenster. »Ich fürchte, du hast Recht. Das Einzige, was er gelernt hat, war vermutlich, in Zukunft keine Zeugen mehr in der Nähe seiner Hunde am Leben zu lassen.«
    »Es war aus seiner Sicht eben nur Pech, dass ausgerechnet der zukünftige Provinzstatthalter vorbeifahren musste, als seine verfluchten borasgotanischen Kampfhunde die arme Frau töteten. Und Glück für uns, dass es nicht auf seinem Grund und Boden passiert ist, sonst hätten wir ihn gar nicht zur Rechenschaft ziehen können.«
    Der junge Mann stieß geräuschvoll die Luft aus. »Was für eine Rechenschaft ist das, wenn ein Verbrecher lächelnd seine Waslec bezahlt und so weitermacht wie vorher? Je mehr ich hier erlebe, desto mehr neige ich dazu, Norinas Meinung zu teilen, was die Zustände in Tarpol angeht.«
    »Verbrecher ist ein hartes Wort für das, was er getan beziehungsweise nicht getan hat. Im Grunde hat er nur nicht auf seine Hunde aufgepasst, wenn man es genau nach dem Sachverhalt nimmt«, überlegte der Vertraute laut, traf aber bei Lodrik mit der Äußerung genau den wunden Punkt.
    »Was für ein Wort soll ich sonst für einen Menschen benutzen, dem die Leben anderer völlig gleich sind? Natürlich haben wir in Tarpol die Leibeigenschaft, aber trotzdem sind selbst die Untersten immer noch Wesen aus Fleisch und Blut mit einer menschlichen Seele.«
    »Norina und Ihr habt nicht zufällig die Hirne getauscht?«, fragte Stoiko vorsichtig.
    »Nein, keine Angst.« Er sah dem Mann ernst in die Augen. »Aber sie hat meine Gedanken in Bewegung gebracht, um die Dinge kritischer zu sehen, die für fast alle anderen normal geworden sind. Ich denke, dass die Unzufriedenheit im Laufe der Jahre beim gemeinen Volk nicht besser wird, oder? Die Provinz Worlac kämpft seit Jahren um ihre Selbstständigkeit, und bestimmt stecken solche Adligen wie Jukolenko oder Kolskoi hinter manchem Elend. Ich wollte, ich könnte mehr verändern.«
    »Es wird nicht einfach sein, Herr, aber ich denke, wenn Ihr erst Kabcar seid, dann ist vieles möglich, was bisher noch in weiter Ferne liegt«, sprach ihm sein Vertrauter Mut zu. »Außerdem sind längst nicht alle Adlige und Herrschaften im Reich wie diese hier in Granburg.«
    Der Statthalter sah ihn entschlossen an. »Wir werden uns demnächst mit

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