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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Das letzte Mal, als ich mich auf eine sogenannte Gemeinschaft verlassen habe, war ich der Idiot. Sobald die Polizei da war, zählte nichts mehr. Meine Kumpel von der Gang konnten abhauen – weil sie mich sitzen ließen. Wenn ich nicht genau in diesem Augenblick über die Grenze gegangen wäre, wäre ich abgeknallt worden.«
    Ich atmete durch und zwang mich dazu, ruhiger zu werden. Das war also Gizmos Moment gewesen. Sein Ruf nach dem Schatten. Kein Wunder, dass er ausrastete, wenn er die Kontrolle zu verlieren drohte.
    »Okay«, sagte ich. »Verstehe. Aber das war damals, Gizmo. Das hier ist etwas anderes. Auf uns konntest du dich immer verlassen. Du weißt nicht einmal, wie viele es sind. Sie haben Maurice fertiggemacht!«
    »Klar, weil er nicht auf Zack war und nicht mit ihnen rechnete.«
    »Sie werden dich töten, du Idiot!«, rief ich.
    Wieder das trockene Lachen, das nichts Gutes verhieß. »Wollen wir wetten?«
    Mit diesen Worten legte er auf. Natürlich rief ich noch mal an, aber offenbar hatte er das Handy ausgeschaltet. Das Selbstmordkommando hatte sich verabschiedet. Unwillkürlich sah ich den Schacht vor mir. Nur dass diesmal Gizmo statt Rubio unten lag.
    »Er will es allein durchziehen, stimmt’s?«, sagte Irves. »Dachte ich mir schon fast.«
    »Ach ja? Und warum hast du ihn dann nicht davon abgehalten?«
    »Weil er kein dressierter Hund ist, der auf Befehle hört!«, fauchte er zurück. »Keiner von uns ist das!«
    »Wollt ihr euch jetzt auch noch die Köpfe einschlagen oder beeilen wir uns, damit wir ihn noch abpassen können?«, mischte sich Zoë ein. »Er fährt ganz sicher zur Alten Marktstraße. Wir sollten zumindest nachsehen.« Als wir sie beide etwas verwundert ansahen, setzte sie hinzu, als müsste sie mich überzeugen: »Wir können ihn den Hyänen nicht ins Messer laufen lassen. Wir sind zu dritt. Und außerdem können wir klettern.«
     
    Zoë bereute ihren Vorschlag bereits, als sie als einzige Fahrgäste aus dem Bus stiegen, der sie an der Haltestelle in der Nähe des Alten Schlachthofs absetzte. Gemeinsam blieben sie stehen und blickten zum Ende der Straße. Sei kein Feigling , ermahnte sie sich streng. Das lenkt dich nur ab. Aber sie musste sich eingestehen, dass es eine Sache war, mutige Pläne zu schmieden, und eine ganz andere, den Dschungel wirklich zu betreten.
    »Wenn wir einfach bis zum Schlachthof spazieren, können wir uns auch gleich eine Zielscheibe auf die Stirn malen«, murmelte Irves.
    Gil nickte und suchte mit den Blicken die lang gezogene Häuserzeile ab, als wäre er ein Sportler, der die beste Route finden will. »Nummer vierundzwanzig, das Haus dort drüben«, sagte er schließlich und begann im selben Atemzug damit, die Schuhe auszuziehen. »Wenn wir auf die Garage klettern und über die Fassade hochgehen, können wir über die Dächer laufen. Vielleicht kommen wir sogar bis zum Schlachthof.«
    Zoës Herz machte einen Satz, als sie an die Höhe dachte, aber als sie beobachtete, wie Irves und sein weißgrauer Schatten elegant nach oben kletterten, war sie plötzlich nur noch fasziniert. Sie streifte ebenfalls ihre Schuhe und die Jacke ab und versteckte sie hinter einem leeren Blumenkasten. Kühler Regen benetzte ihre Haut und ließ sie frösteln. Gil wartete bereits, die Doppelgestalt: der Junge, der ihr ermutigend und gleichzeitig besorgt zulächelte – und an seiner Seite der Panther, der voller Ungeduld darauf wartete, klettern zu dürfen. Trotz ihrer Anspannung musste sie plötzlich lächeln.
    »Bereit?«, fragte er sanft. Sie konnte sehen, wie der Schattenpanther jeden Muskel anspannte. Doch Gil blieb ruhig und vollkommen auf sie konzentriert, als gäbe es auch jetzt auf der ganzen Welt nichts Wichtigeres als sein Mädchen. Und das bin ich , dachte Zoë. Das bin ich wirklich.
    »Keine Angst«, sagte er leise, obwohl die Sorge um sie in seinem Tonfall nur zu deutlich mitschwang.
    »Ich habe keine«, erwiderte sie. »Ich weiß ja, du lässt mich nicht fallen, was auch passiert.« Mit einem Mal war sie völlig ruhig. »Geh vor!«, sagte sie. »Ich folge dir.«
    Gil zögerte noch einen Moment, doch dann sah er sich nach seinem Schatten um, als würde er instinktiv spüren, wo er sich befand. Zoë beobachtete, wie Gil und sein Schatten sich annäherten und beinahe verschmolzen. Die Doppelgestalt erklomm die Garagenwand und wartete auf Zoë.
    Sie biss die Zähne zusammen, nahm Anlauf – und sprang. Auch jetzt war sie verblüfft, wie einfach es war. Kein

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