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Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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sich alles in einer schwarzen Wolke auf, und ich bin der letzte lebende Mensch auf dieser Welt. Alles fliegt davon, wie die schwarzen Krähenvögel über dem Wald.
    «Luisa?» Ich zucke zusammen, als Thursens Stimme meinen Namen flüstert und ich seine Küsse spüre auf meinen Wangen, meiner Stirn, meiner Nasenspitze, meinem Mund. «Lass uns raus ans Feuer», flüstert er und streift mit dem Mund meine Wange. Blind greife ich nach ihm, voller Angst, noch einmal in die Unterwelt hinabgezogen zu werden. Er nimmt meine Hand und verschränkt unsere Finger. Ich öffne endlich die Augen, und es ist, als erwachte ich erst jetzt endlich vollends. Ich bin nicht in der Unterwelt. Um uns sind nur die dunklen Erdwände der Werwolfshöhle. Es gibt keine Särge, doch die Krähen, die sind echt. Eine sitzt mit leicht schief gelegtem Kopf vor dem Höhleneingang und betrachtet uns. Sie hüpft zur Seite, als Thursen und ich gemeinsam aus der Höhle kriechen und hinübergehen zum Feuerplatz, an dem Rieke sitzt und sich die Finger wärmt.
    Ich zittere, als ich ins Freie komme, wo die Kälte noch ungehinderter beißt. Thursen nickt mir zu, lässt meine Hand los und lehnt sich in der Nähe des Feuers an einen Baumstamm, bohrt seine gesunde Hand in die Manteltasche und sieht zu den kreisenden Krähen hinauf.
    Ich setze mich zu Rieke. «Du bist hier? Ich dachte, sie hätten Norrock in dein Zelt gebracht», sage ich und strecke meine Hände ebenfalls der Glut entgegen. Wärme tut so gut.
    «Haddrice hat mich abgelöst und kümmert sich um ihn, das heißt, jetzt sitzt sie neben ihm und starrt ihn an. Mehr kann man ja nicht machen.»
    «Er ist ein Werwolf. Bald ist er wieder auf den Beinen.»
    «Es hat ihn wirklich schlimm erwischt, auch mit Werwolfheilkräften wird es Tage dauern, bis er sich erholt hat.»
    Wir schweigen nebeneinander und genießen die kostbare Wärme. Inmitten der Holzreste atmet von weißer Asche bepudert das Herz des Feuers rote Hitze aus und verzehrt sich knisternd selbst.
    «Wir sollten Holz nachlegen», sagt Rieke und nickt in Richtung eines Stapels krummer Knüppel, die unter einer Plane trocknen. «Haddrice hat Mauriks, Rawuhn, Polmeriak und Glowen jagen geschickt. Norrock hat sicher Hunger, wenn er aufwacht. Ach was, nicht nur Norrock. Wir anderen alle auch. Doch im Gegensatz zu den Wölfen hätte ich mein Fleisch lieber gebraten.»
    Gemeinsam häufen wir Brennholz auf und lassen die Flammen lodern.
    «Da sind Mauriks und Rawuhn!», sagt Thursen und zeigt in die Richtung.
    Und wirklich. Die beiden kommen von der Jagd zurück, und sie waren erfolgreich.
    «Haddrice? Wir sind wieder da!», ruft Mauriks. Rawuhn, der schon lange kein Mensch mehr werden kann, hält zwei tote Kaninchen an den Hinterläufen im Maul.
    «Jagdglück?», fragt Thursen, kommt zu mir und legt seinen Arm um mich.
    «Hier, guckt mal, ist das lecker?», sagt Mauriks und lässt ein Reh mit aufgebissener Kehle von seiner Schulter rutschen.
    «Toll», murmele ich. Ich versuche, das Blut an Mauriks’ Mundwinkel zu übersehen, doch es gelingt mir nicht ganz. «Ich dachte, ich hätte mich langsam an Blut gewöhnt», flüstere ich Thursen zu. Wäre ich länger Wölfin gewesen, hätte ich selbst gejagt. Doch jetzt krieche ich auf einmal beim Anblick eines toten Tieres bibbernd in mich zusammen.
    «Das ist die Rückverwandlung», sagt Thursen an meinem Ohr. «Es ist hart, aber es geht vorbei.»
    Haddrice kommt aus Riekes Zelt gekrochen. «Wo sind Polmeriak und Glowen?» fragt sie, nimmt Rawuhn eins der Kaninchen ab. «Für Norrock.»
    «Wir haben uns getrennt, als wir auf die Fährte von dem Reh gestoßen sind. Sie wollten ihre eigene Beute jagen.»
    «Hmm.» Haddrice nickt, legt das Kaninchen auf einen Stamm und beginnt, es mit einem Messer zu zerteilen. Sie häutet es nicht erst, wozu auch? Das hier wird kein Steak, sondern Wolfsfutter. Ich stelle mir viel zu bildlich vor, wie sie später die kleinen, feuchten Fleischstücke zwischen die Lefzen des schlafenden Wolfs schieben wird.
    Zrrie und Mauriks haben das Reh an einen Ast gehängt, ausgenommen und ziehen ihm schnell und geschickt das Fell ab. Sie bereiten den Braten vor. Die restlichen Wölfe, die sich nicht mehr verwandeln können, sind herangekommen und fressen bereits die Innereien. Mauriks zerteilt das Muskelfleisch mit einem großen Messer.
    «Warten wir auf die Geschwister, oder essen wir gleich?», fragt Zrrie und rammt die Stücke auf unsere Bratspieße.
    Wildfleisch sollte man vor dem Braten

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