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Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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stockend weiter. Ihm ist, erklärt er, während er auf seine Hände sieht, als habe er im Wald gelebt. Als habe er Tiere gejagt. Seine Stimme wird so leise, dass ich sie kaum verstehen kann. Er fühle sich, als sei er selbst ein Tier gewesen.
    «Wer ist das?», frage ich Vittorio.
    «Der Junge heißt Moritz Hassmann.» Vittorio trinkt einen Schluck Wasser. Himmelwasser, das möchte ich wetten. «Der Name wird dir nichts sagen. Was du wirklich wissen willst, ist, ob seine Geschichte wahr ist.»
    «Ist er tatsächlich ein Werwolf? Das kann nicht sein. Dazu ist er nicht farblos genug, und auf dem Video sind keine Schatten zu sehen. Oder wurde das Video bearbeitet?»
    «Das Video wurde nicht bearbeitet. Es sind keine Schatten zu sehen, weil es keine Schatten gibt.»
    «Dann hat er die Geschichte also erfunden?» Ich schaue mir den Jungen an, stockend, zitternd berichtet er. Man muss kein Psychologe sein, um zu sehen, dass er unter großem Stress steht. Was ist ihm nur passiert?
    «Die Geschichte ist nicht erfunden. Du hast recht, der Junge auf diesem Video ist ein Mensch. Allerdings wissen wir, dass es tatsächlich eine Zeit gab, in der er ein Werwolf war.»
    «Es ist also möglich.» Mein Mund wird trocken, und mein Herz klopft unvernünftig schnell, als mir klarwird, was das bedeutet: Wir können wieder Menschen aus den Wölfen machen. Es wird eine Tortur für sie, mit Sicherheit, man muss sich nur den Jungen ansehen, aber wir können sie retten! Ich kann Luisa zurückhaben. Luisa wird sich wieder erinnern. Ich kann mit ihr sprechen, mich entschuldigen, und wir können wieder Freunde sein. Vielleicht wird sie sogar endlich erkennen, dass Thursen nicht gut für sie ist. Ich weiß, ich bin nicht gerade ein selbstloser Engel.
    Wer von ihnen ist Adrians Mörder? Wer Delwins? Sie werden wieder Menschen sein und mit dieser Schuld leben müssen.
    Luisa. Sie wird nie wieder ein Fell bekommen, keine grässlichen langen Fangzähne mehr.
    «Ja, es ist möglich», sagt Vittorio. «Siehst du jetzt ein, dass wir die Werwölfe, und zwar alle, davon überzeugen müssen, sich helfen zu lassen?»
    Ich nicke. «Ja, das sehe ich genauso.»

[zur Inhaltsübersicht]
    38. Luisa
    WIE ein überführter Verbrecher, rechts und links an den Oberarmen festgehalten, steht er zwischen den beiden schwarzhaarigen Werwolfsgeschwistern. Polmeriak und Glowen sehen uns grimmig an. «Tut uns leid, dass wir euch nichts zum Essen mitgebracht haben», sagt Glowen. «Wir mussten erst mal den hier einfangen.»
    «Der hier» ist Edgar, mein Klassenkamerad. In der farbenfroh wattierten Jacke und den Boots sieht er zwischen den dunklen Bäumen und den blassen Werwölfen aus wie ein Farbklecks, nachträglich ins Bild kopiert.
    «Wir dachten uns ja, dass die Shinanim uns nicht in Ruhe lassen. Offenbar sind die Ersten schon hier. Ich glaube, der wollte uns besonders gerne kennenlernen.»
    «Klasse, Kumpel! Ich denke, das wird Haddrice interessieren.» Mauriks klopft Polmeriak auf die Schulter, ganz wie Norrock es getan hätte.
    «Hallo», sagt Edgar und sieht freundlich lächelnd in die Runde. «Schön, dass ich euch gefunden habe. Ich habe schon so viel von euch gehört, aber ich wusste nicht genau, wo ich nach euch suchen sollte. Wenn ich nicht den beiden begegnet wäre, würde ich bestimmt heute Nacht immer noch im Wald herumtappen und mir den Hintern abfrieren.»
    Das ist so ziemlich das Blödeste, was er sagen kann. «Das hier ist kein Spaß, Edgar! Die Werwölfe halten dich für einen von ihren gefährlichsten Feinden. Los, mach ihnen klar, dass du ein ganz normaler, wenn auch manchmal etwas naiver Mensch bist.»
    «Das dürfte schwer werden», sagt Glowen. «Sieh dir doch seine Glutaugen an.»
    Polmeriak und Glowen waren nicht dabei, als wir gegen die Shinanim gekämpft haben, woher wollen sie wissen, wie unsere Feinde aussehen? Bestimmt irren sie sich. Ich kann kein Funkeln in Edgars Augen sehen. Doch das heißt nichts, sagt eine Stimme in meinem Kopf. Ich könnte es auch nicht sehen, denn ich bin ja kein Werwolf mehr. Offenbar hat Glowen das vergessen, als sie mich hochnehmen wollte. Und das wollte sie doch? Mich veräppeln? «Zrrie?», frage ich. «Das ist jetzt ein Witz, oder?»
    Sie blinzelt und hebt die Hand, als müsste sie sich gegen die Sonne abschirmen. «Luisa, er hat Augen wie Laserpointer. Da kann man nicht reingucken. Was soll er denn sonst sein?»
    Edgar guckt sie erschrocken an und senkt den Blick.
    Das ist wahr? Edgar ist kein Mensch? «Was

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