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Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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Familie. Da wohnen fremde Kinder, die jetzt aus meinem Fenster sehen, fremde Kinder, die aus Fabis Zimmer Hörspiele dröhnen lassen, und fremde Eltern, die abends vor dem Fernseher den Freitagabendkrimi gucken. Trotzdem. Aufgehetzt vom Traum will sich mein Körper verwandeln und kann nicht. Mir schmerzt jeder Knochen, jeder Muskel im Leib. Langsam wird mein Herzschlag ruhiger. Doch der Schmerz bleibt, wie das letzte Wetterleuchten nach einem Gewitter.
    «Verdammt, Thursen, du hast nie gesagt, dass die Rückverwandlung so weh tut!»
    «Das solltest du auch nicht wissen.» Er will sich zu mir drehen, stützt sich mit der falschen Hand auf und zieht sie aufstöhnend zurück. Gott, was sind wir nur in einem erbärmlichen Zustand!
    «Brauchst du ein Schmerzmittel?», fragt Thursen.
    «Nein. Lenk mich lieber ab.» Vorsichtig rücke ich näher. «Erzähl mir von dem Kampf mit den Shinanim», sage ich. Meine Hand zittert, als ich die Wunde in seinem Gesicht berühre.
    «Es tut mir leid, dass du den einen Shinan kanntest. Fremde Tote sind schlimm genug.»
    «Ich mochte ihn. Wir haben zusammengewohnt, gekocht, gegessen, gelebt. Adrian war Elias’ einziger Freund, glaube ich. Er hat sich nie an die Regeln gehalten, nie akzeptiert, was der oberste Rat der Shinanim beschlossen hat. Immer hat er alles hinterfragt. Elias musste ziemlich darum kämpfen, dass er in sein Eliteprojekt aufgenommen wurde. Wenn du dich mit einem Shinan verstanden hättest, dann wahrscheinlich mit ihm.»
    «Und gerade er ist jetzt tot. Du redest mit einem Mörder, Luisa. Das ist schon der Zweite, der wegen mir nicht mehr lebt.»
    Ein Mörder? Wie kann er nur so etwas sagen? Er wurde angegriffen. Er hat sich verteidigt, mich verteidigt. Ich will mich aufrichten, doch schon wieder kribbelt mein Körper wie unter Ameisenbissen. Scheiße, ist es denn noch nicht genug? Ich würde gern knurren und die Zähne fletschen. Stattdessen balle ich die Fäuste. Atme, und es wird tatsächlich besser. Als ich wieder sprechen kann, sage ich: «Hör auf, Thursen! Du bist kein Mörder. Du tötest nicht einfach so, darum will ich wissen, was genau passiert ist.»
    «Das, was immer passiert. Einer greift an, der andere verteidigt sich, und am Ende ist einer tot. Zu meinem Glück war er es und nicht ich.»
    «Warum hat er angegriffen?»
    Thursen schüttelt den Kopf. «Ich habe ihn angegriffen.»
    «Du ihn? Aber warum?»
    Thursen antwortet nicht gleich. «Du weißt doch, als Leitwölfe sind Norrock und ich die Wächter des Tores.»
    «Du bist kein Leitwolf mehr. Du bist überhaupt kein Wolf mehr.»
    «Der Wolfseid gilt ewig. Wir sind durch diesen Eid gebunden, das Tor zu schützen und verborgen zu halten.»
    «Auch vor mir?»
    «Norrock hat nicht gegen den Eid verstoßen, zu dem Zeitpunkt warst du ja eine Wölfin, eine von uns. Idiotisch war es trotzdem.»
    «Ich war eine von ‹uns›? Thursen, du bist ein Mensch!»
    «Ja, gut, wir sind beide wieder Menschen, ich weiß.»
    «Menschen dürfen also das Tor nicht sehen?»
    «Eigentlich nicht, aber das ist nicht so wichtig. Menschen würden wahrscheinlich gar nicht begreifen, was sie da sehen. Bei den Shinanim ist das was anderes. Ich glaube, sie ahnen, dass irgendwo ein direktes Tor in die Welt der Toten existiert. Und das passt ihnen gar nicht. Darum dürfen sie den Weg dahin niemals finden. Sie dürfen nie auch nur in die Nähe des Tores kommen. Um keinen Preis. Verstehst du? Wir müssen alles, wirklich alles tun, um das Tor vor diesem Halbengelspack zu verstecken.» Thursen streicht mir über die Wange, fängt eine Strähne von meinem Haar und zwirbelt sie zwischen den Fingern. «Kannst du dir vorstellen, wie das war, als ich dich gesucht und stattdessen Norrock gehört habe, der das Tor ruft? Da konnte ich mir denken, wo du steckst, und dann stoße ich auch noch auf diese Shinanim, die genau auf Norrocks Gesang zugehen.»
    «Hättest du sie nicht ablenken können? Weglocken?»
    «Ich hatte keine Zeit! Du warst da drin! Schon viel zu lange! Was hätte ich denn tun sollen? Ich musste dir nach und dich rausholen, aber vorher musste ich verhindern, dass die Shinanim das Tor entdecken und den anderen davon erzählen können. Der Eid ist machtvoll, bindend. Wenn ich ihn breche, dann sterbe ich.»
    «Also hast du die beiden getötet, weil sie das Tor entdeckt haben und du sonst gestorben wärest?»
    «Nein. Nein, sie lebten noch, als ich durch das Tor ging. Adrian war bewusstlos, Norrock hat mit dem anderen noch gekämpft.»
    Und

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