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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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deins sein können.»
    «So ein Dreck.»
    «Es hätte von jedem sein können, will ich damit nur
    sagen. Sie hat es mit der gottverdammten halben Stadt
    getrieben.» Er zog ein Taschentuch heraus und putzte sich
    die Nase. «Hätte auch von ihrem Daddy sein können, so‐
    weit ich weiß.»
    Jeffrey starrte den verräterischen Blutstropfen an, der
    aus Hoss' Nase rann. Er wirkte immer so überlegen, doch

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    wenn Jeffrey zurückdachte, hatte der alte Mann immer,
    wenn er unter Druck stand, Nasenbluten bekommen.
    Jeffrey sagte: «Sie haben ihr das Medaillon gegeben,
    nicht wahr?»
    Hoss betrachtete das Taschentuch, bevor er es sich wie‐
    der an die Nase hielt. «Es hat meiner Mutter gehört.
    Schätze, ich hatte meinen großzügigen Tag.»
    Jeffrey fragte sich, was Hoss für das Mädchen empfun‐
    den hatte. Wenn man ein Mädchen nur benutzte, schenkte
    man ihr keinen Schmuck, vor allem nicht, wenn er von
    der eigenen Mutter war. Er hakte nach. «Warum haben Sie
    sie nicht einfach geheiratet?»
    Hoss lachte über den Vorschlag, und ein paar winzige
    Blutstropfen spritzten auf das Taschentuch. «Wach auf,
    Slick. So jemand heiratet man doch nicht.» Er zeigte auf die Tür, in Richtung Sara. «Das ist eine Frau zum Heiraten.» Er ließ die Hand sinken. «Jemand wie Julia, das ist die
    Art von Frau, die du vögelst, und hinterher betest du, dass
    du dir nichts eingefangen hast.»
    «Wie können Sie nur so über sie sprechen? Sie ist die
    Mutter Ihres Kindes.»
    «Das sagst ausgerechnet du.»
    «Was soll das heißen?»
    «Nichts», antwortete er, doch Jeffrey hatte das Gefühl,
    er hielt etwas zurück. «Hör zu, wir hatten einfach ein bisschen Spaß miteinander.»
    «Sie war viel zu jung, um zu wissen, was Spaß ist.» Jeffrey stand auf. «Haben Sie sie umgebracht?»
    «Das fragst du doch nicht im Ernst.»
    Jeffrey schwieg. Er hatte die Antwort in Hoss' Augen
    gelesen. Seine ganze Welt stand plötzlich Kopf. Der Mann,
    den er für gut und anständig gehalten hatte, war tatsächlich

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    ein mieser Dreckskerl. Hätte er Hoss im Befragungsraum
    in Grant County gehabt, er hätte sich beherrschen müssen,
    um das Schwein nicht windelweich zu prügeln.
    «Du weißt nicht, wie es war», versuchte es Hoss. «Ich
    hab dieser Stadt dreißig Jahre lang treu gedient.»
    «Sie haben ein siebzehnjähriges Mädchen ermordet»,
    sagte Jeffrey. «Oder wollen Sie mir erklären, das war okay,
    weil sie inzwischen achtzehn war?»
    Hoss warf das Taschentuch auf den Boden und stand
    auf. «Ich hab versucht, Robert zu schützen.»
    «Robert?», fragte Jeffrey ungläubig. «Was hat Robert
    damit zu tun?»
    Hoss legte die Hände auf den Tisch und beugte sich zu
    Jeffrey vor. «Sie hat überall rumerzählt, er hätte sie vergewaltigt. Ich konnte nicht zulassen, dass die kleine Schlampe
    sein Leben zerstört.»
    «Das Gerücht war nach einer Woche vergessen», ent‐
    gegnete Jeffrey. «Nach weniger als einer Woche.»
    Hoss sah auf den Tisch hinunter. «Die Leute reden wei‐
    ter. Die ganze Stadt besteht aus Gerede, die Leute erzählen
    Lügen und denken, sie wissen Bescheid, doch in Wirklich‐
    keit haben sie keinen verdammten Schimmer.» Er wischte
    sich mit dem Handrücken über die Nase. «Ich habe einen
    Ruf zu verlieren. Die Menschen hier brauchen mich. Sie
    brauchen jemand, der alles im Griff hat. Ich habe es für die
    Menschen hier getan.»
    «Sie Wahnsinniger», sagte Jeffrey.
    Hoss riss den Kopf hoch. «Du hast kein Recht –»
    «Was hat sie getan?», fragte Jeffrey. «Sie haben sie
    weggeschickt, um das Baby zu kriegen, aber sie ist zu‐
    rückgekommen. Haben Sie gedacht, sie kommt nicht
    zurück?»

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    Hoss winkte ab. Er ging zum Fenster und kehrte Jeffrey
    den Rücken zu.
    «Sie glauben, Sie sind unberührbar. Sie glauben, Sie
    können sich hinter Ihrer Marke verstecken.»
    Hoss antwortete nicht.
    «Sie ist zurückgekommen, und dann? Was wollte sie,
    Hoss? Geld?»
    Hoss legte die Hand auf die Flagge seines Bruders. «Sie
    dachte, ich würde sie heiraten. Schön blöd, was? Ich sie heiraten.» Er lachte. «So eine Scheiße.»
    «Und da haben Sie sie umgebracht.»
    «So war es nicht.» Zum ersten Mal wirkte Hoss beunru‐
    higt, doch Jeffrey wusste, es lag daran, dass er erwischt wor‐
    den war, nicht weil er seine Tat bereute. «Es war ein Unfall.»
    «Na klar. Dauernd werden Menschen aus Versehen er‐
    würgt.»
    Hoss' Stimme überschlug sich. «Sie hat gedroht aus‐
    zupacken», rief er. «Sie kam nach der Geburt

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