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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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könnte.»

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    «Ziemlich naiv.»
    «So ist Hare eben», erklärte sie. «Ich fürchte, wir sind in einer ziemlich heilen Welt aufgewachsen. Unsere Eltern
    haben uns das Gefühl gegeben, dass es keine Rolle spielt, ob man schwul oder hetero oder weiß oder schwarz oder
    sonst was ist. Hare war schockiert, als seine so genannten Freunde sich von ihm abwandten.»
    Jeffrey konnte sich denken, was passiert war, doch er
    wollte es von ihr hören. «Was haben sie getan?»
    «Es war am Ende seines vierten Semesters an der Uni‐
    versity of Georgia, als es rauskam, kurz vor den Sommer‐
    ferien.»
    Sie stockte, und er wusste, dass sie die Erinnerung immer
    noch erschütterte. Für Sara war die Familie das Allerwichtigste, und dass jemand aus der Familie zu Schaden kam,
    war die einzige Sache auf der Welt, die Sara nicht ertrug.
    Dann fuhr sie fort. «Wir haben alle gehofft, dass in den Ferien Gras über die Sache wachsen würde, aber das tat es
    natürlich nicht. Am ersten Tag nach den Ferien haben sie versucht, ihn zusammenzuschlagen, aber er war immer
    ein guter Kämpfer und hat dafür gesorgt, dass sich ein paar
    Leute blutige Nasen geholt haben. Ich weiß, dass er zu dir gesagt hat, er hätte wegen irgendwelcher Knieprobleme
    mit dem Football aufgehört, aber das stimmt nicht. Er
    wurde aus dem Team geschmissen.»
    Jeffrey setzte sich wieder. «Ich kann nicht beschwören,
    dass ich mich damals nicht ähnlich verhalten hätte.»
    «Und jetzt?»
    «Jetzt ...» Er schüttelte den Kopf. «Verdammt, ich will
    nur, dass Robert in Sicherheit ist. Ich weiß nicht, wie es ist, wenn alle Leute dich für jemanden halten, der du nicht
    bist.»

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    «Mir scheint, als hattest du die ersten Jahre deines Le‐
    bens auch so verbracht.»
    «Ja.» Er lachte. So hatte er die Sache noch gar nicht gesehen.
    «Was hat Hoss am Telefon gesagt?»
    «Nichts», sagte er, dann fügte er hinzu: «Er klang nicht allzu überrascht.»
    «Glaubst du, er hat es gewusst?»
    «Vielleicht hatte er einen Verdacht. Wer weiß.» Er sah
    sie viel sagend an. «Glaub mir, so was sieht man nicht, solange man nicht danach sucht.»
    «Was passiert als Nächstes?»
    «Jessie wird verhaftet.» Er schnaubte. «Ein Festtag.
    Reggie Ray wird sich prächtig amüsieren.»
    «Das sollte dir egal sein.»
    «Wenn er jetzt hier durch die Tür käme, ich würde ihn
    krankenhausreif prügeln.»
    «Was ist mit Julia Kendall?»
    «Was soll mit ihr sein?»
    «Ich muss mit dir reden», begann Sara und griff wieder
    nach seiner Hand. «Ich muss mit dir über das reden, was Lane Kendall gesagt hat.»
    «Sie ist eine –»
    «Nein», unterbrach Sara. «Nicht das. Ich muss dir er‐
    klären, warum ich so reagiert habe, als sie dich beschuldigte ... dass du Julia vergewaltigt hättest.»
    «Ich habe es nicht getan», sagte er abwehrend. «Ich
    schwöre dir, Sara, das Kind ist nicht von mir.»
    «Ich weiß», antwortete sie, doch ihr Blick war so selt‐
    sam, dass er ihr nicht glaubte.
    Er stand wieder auf. «Ich sage dir, ich habe es nicht getan. Ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun.»

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    «Ich weiß, dass du es nicht warst», wiederholte sie.
    «Du siehst nicht so aus, als ob du mir glaubst.»
    «Es tut mir Leid, wenn du so denkst», sagte sie kühl,
    und er spürte, wie sie sich in sich zurückzog.
    Wieder lief er auf und ab, er fühlte sich in die Ecke ge-drängt und schuldig, obwohl er wusste, dass er nichts getan hatte. Sein einziger Gedanke war, dass sie Sara doch noch auf ihre Seite gezogen hatten. Am Ende hatte Sara
    doch noch angefangen, an ihm zu zweifeln, genau wie alle
    anderen. Es gab keinen Weg zurück.
    «Jeff», sagte Sara. «Hör auf, so herumzurennen.»
    Er blieb stehen, doch innerlich arbeitete es in ihm. «So kommen wir nicht weiter», sagte er. «Entweder du ver-traust mir oder nicht, aber ich werde nicht –»
    «Hör auf», unterbrach sie ihn.
    «Glaubst du, ich bin zu so was fähig?», fragte er.
    «Glaubst du wirklich, ich könnte ...» Er fand keine Worte.
    «Herrgott, Sara, wenn du denkst, ich könnte jemanden
    vergewaltigen, was zum Teufel willst du dann von mir?»
    «Ich glaube das nicht, Jeffrey. Das versuche ich, dir
    die ganze Zeit zu sagen.» Sie wirkte aufgebracht, und
    ihr Ton wurde noch schärfer. «Aber selbst wenn ich es den‐
    ken würde – was ich nicht tue –, medizinisch kommt es
    überhaupt nicht in Betracht, dass Eric Kendall dein Kind
    ist.»
    Schweigend blieb er stehen, er wartete auf eine Erklä‐
    rung.
    «Gibt es

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