Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
würde eine Waffe zie‐
    hen. Stattdessen hielt Robert ein abgefeuertes Projektil in der Hand.
    Reggie sah sich die Hülse an. «Polizeimunition», stellte
    er fest, genau wie die Kugeln, die Robert in der Glock
    hatte.
    Robert sagte: «Die Kugel hat in seinem Kopf gesteckt.»
    Er legte den Zeigefinger auf die Stelle hinter dem Ohr.
    «Nur die Spitze hat rausgesehen, genau hier. Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber sie saß da, als hätte sie jemand reingesteckt, und ich konnte sie ganz leicht rausziehen.»
    Reggie kaufte es ihm immer noch nicht ab. Er wollte
    Robert die Kugel zurückgeben, doch der nahm sie nicht.

    256
    «Du verarschst mich doch, oder?» Er lachte schnaubend.
    «Das ist nur eine deiner Geschichten, Bubba? Du willst,
    dass ich mich wieder mit Hoss in die Haare kriege?»
    «Hör auf, dich aufzuspielen, Junge», zischte Robert
    scharf. So hatte Jeffrey ihn noch nie gehört. Robert war Reggies Vorgesetzter, und es war ein Befehl, als er zu ihm sagte: «Leg mir die Handschellen an, und lies mir meine
    Rechte vor. Mach es nach Vorschrift.»
    Plötzlich stand Jessie in der Tür, ihr Glas war rand‐
    voll. «Möchtet ihr irgendwas ...» Ihre Stimme verlor sich, als sie merkte, dass sie ausnahmsweise nicht im Mittelpunkt stand. Sie sah Robert tief in die Augen, und für eine Sekunde stand ihr das Grauen ins Gesicht geschrie‐
    ben. Sie hielt sich am Türrahmen fest, als brauchte sie
    eine Stütze, um nicht umzufallen. «Was hast du ihnen ge‐
    sagt?»
    Robert hatte Tränen in den Augen. Seine Stimme war
    voller Bedauern, als er sagte: «Die Wahrheit, Baby. Ich
    habe ihnen die Wahrheit gesagt.» Wieder streckte er Reg‐
    gie die Hände hin. «Luke Swan hatte eine Affäre mit mei‐
    ner Frau. Als ich nach Hause kam und die beiden mitein‐
    ander erwischte, habe ich ihn erschossen.» Er schüttelte
    die Hände. «Mach schon, Reggie. Bringen wir's hinter
    uns.»
    Jessie murmelte: «O Gott.»
    Robert wiederholte: «Leg mir die Handschellen an.»
    Reggie griff sich an den Gürtel, doch er zog die Hand‐
    schellen nicht heraus. «Ich werde dich nicht verhaften»,
    sagte er. «Ich bring dich aufs Revier, und dann redest du mit Hoss. Aber auf keinen Fall leg ich dir Handschellen
    an.»
    «Reggie, das ist ein Befehl.»

    257
    «Nein, verdammt nochmal», widersprach er. «So gern
    ich dich auf der Rückbank des Streifenwagens hätte, we‐
    gen dir werde ich nicht Hoss' Zorn auf mich ziehen.» Dann
    fügte er hinzu: «Dieses eine Mal wenigstens nicht.»
    «Du musst vorschriftsmäßig vorgehen», verlangte Ro‐
    bert.
    Doch Reggie blieb eisern. «Ich gehe jetzt raus und lass
    den Wagen an. Beruhig dich erst mal. Wenn du so weit
    bist, kannst du rauskommen.»
    «Ich bin so weit», sagte Robert. Als Jeffrey sich ihnen
    anschloss, hob er die Hand. «Nein, Jeffrey. Das hier muss ich allein tun.»
    Jessie stand immer noch in der Tür, Robert musste auf
    dem Weg nach draußen zwangsläufig an seiner Frau vor‐
    bei. Jeffrey beobachtete, wie Robert sie auf die Wange
    küsste, und er sah auch, wie Jessie vor seiner Berührung zurückzuckte, obwohl sie es zu verbergen versuchte. Jeffrey hätte sie am liebsten dafür erwürgt, dass sie Robert so
    behandelte. Niemals hatte Robert jemanden umgebracht.
    Jeffrey nahm ihm die Geschichte einfach nicht ab. Irgend‐
    etwas war daran faul.
    Und doch nickte Jeffrey, als Robert ihn bat: «Kümmer
    dich bitte um Jessie, Jeffrey, tu mir den Gefallen.»
    «Ich komme später auf dem Revier vorbei.»
    «Jess», sagte Robert dann. «Gib Jeffrey die Schlüssel
    von meinem Truck.» Er brachte ein trauriges Lächeln zu‐
    stande. «Ich brauche ihn wohl eine Weile nicht.»
    «Sag nichts, Robert. Auch nicht zu Hoss», flehte Jeffrey
    noch einmal. «Wir müssen dir einen Anwalt besorgen.»
    Ohne zu antworten, verließ Robert das Zimmer. Sekun‐
    den später fiel die Fliegentür ins Schloss.
    «Na schön», sagte Jessie und nahm einen tiefen Schluck

    258
    von ihrem Drink. Das Glas war fast voll, als sie es ansetzte,
    doch sie ließ kaum mehr als die Eiswürfel übrig. Jeffrey beobachtete sie beim Trinken und fragte sich, wie sie so ruhig bleiben konnte, wenn ihr Mann gerade wegen Mordes
    abgeführt wurde.
    Jessie lutschte an einem Eiswürfel, dann spuckte sie ihn
    zurück ins Glas. «Das muss der schönste Tag im Leben die‐
    ses Hinterwäldlers sein.» Sie wartete darauf, dass Jeffrey etwas sagte, doch den Gefallen tat er ihr nicht. «Reggie hat
    all die Jahre wie ein Geier

Weitere Kostenlose Bücher