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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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überlegt hatte. Am Ende der Besichtigung hatte sich Jeffrey in die riesige Bibliothek geschlichen und stundenlang die Bücher in den Regalen bestaunt. Ehrfurcht und Demut erfüllten ihn, der noch nie etwas Vergleichbares gesehen hatte, damals.
    Im krassen Gegensatz zu Swan House war Luke Swans Haus ein so abgewrackter Schuppen, dass die Swans kurzerhand in einen Wohnwagen in der Einfahrt gezogen waren. Auf der Veranda stapelten sich Zeitungen und Zeitschriften und warteten nur auf die brennende Zigarettenkippe, die dem Ganzen den Rest geben würde. Es stank nach Armut und Hoffnungslosigkeit, und Jeffrey dachte nicht zum ersten Mal, dass große Teile des ländlichen Südens sich immer noch nicht von der Zeit nach dem Bürgerkrieg erholt hatten.
    Als Jeffrey auf der Schotterpiste vor dem Haus parkte, rannten sechs oder sieben Hunde auf das Auto zu – die typische Alarmanlage der Hinterwäldler. Vor der Einfahrt reckte sich ein majestätischer Briefkasten mindestens einen Meter fünfzig in die Höhe, auf dem in verschnörkelter Schrift die Hausnummer stand. Jeffrey verglich die Nummer noch einmal mit der Seite aus dem Telefonbuch, die er aus der Telefonzelle vor dem
Yonders Blossom
herausgerissen hatte. Das Telefonbuch war mindestens zehn Jahre alt, aber in Sylacauga zogen die Leute nicht allzu häufig um. Es gab nur zwei Swans in der Stadt, und Jeffrey hatte geraten, dass Luke nichts mit den Swans zu tun hatte, die in der Nähe des Country Club wohnten.
    «Haut ab!», schrie eine Frau die Hunde an, als Jeffrey aus dem Wagen stieg. Die Tiere trollten sich, und die alte Frau trat auf die provisorische Terrasse aus Waschbetonplatten vor dem Wohnwagen hinaus. Sie stützte sich schwer auf einen Stock, und ihre Wangen waren eingefallen, wahrscheinlich hatte sie ihre Zähne in einem Glas im Wohnwagen gelassen.
    Sie fragte: «Kommen Sie wegen dem Kabel?»
    «Äh   …» Jeffrey warf einen Blick auf den Wagen seiner Mutter und fragte sich, was die Frau dachte. «Nein, Ma’am. Ich bin gekommen, um mit Ihnen über Luke zu sprechen.»
    Mit einer knorrigen alten Hand zog sie den Morgenmantel enger um sich. Als er näher kam, begriff er, dass sie kaum etwas sah.
    Als hätte sie seine Gedanken erraten, erklärte sie: «Ich hab grauen Star.»
    Sie sprach mit so breitem Dialekt, dass Jeffrey sie kaum verstand. «Das tut mir Leid.»
    «Sie können ja nix dafür», sagte sie resigniert. «Kom men Sie rein. Obacht, Stufe. Mein Enkel wollte sie reparieren, aber, na ja, Sie wissen ja, was passiert is.»
    «Ja, Ma’am», sagte Jeffrey und trat vorsichtig auf die unterste Stufe. Der Stein bewegte sich, und er sah, dass der Regen die Erde unter dem Wohnwagen wegspülte. Mit dem Fuß schob er ein wenig Erde und Steine unter den Ziegel, dann folgte er der Frau in den Wohnwagen.
    «Hab nicht viel zu bieten», sagte die alte Frau, die Untertreibung des Jahrhunderts. Der Wohnwagen war ein Saustall, und man hatte das Gefühl, von den Wänden erdrückt zu werden. Auch hier stapelten sich überall Zeitungen und Zeitschriften, und Jeffrey fragte sich, warum sie den ganzen Kram aufbewahrte.
    «Mein Mann, Gott hab ihn selig, war ’n großer Leser.» Sie deutete auf die Zeitschriftenstapel. «Hab’s nicht übers Herz gebracht, das Zeug wegzuschmeißen, als er gestorben is.» Sie fügte hinzu: «Hatte ’n Emphysem. Sie rauchen doch nich, oder?»
    «Nein, Ma’am», sagte er und versuchte, ihr in den Hauptraum zu folgen, eine Kombination aus Küche, Wohnzimmer und Esszimmer auf kaum einem Quadratmeter Fläche. Es stank nach Hühnerfett und Schweiß mit der leicht medizinischen Note älterer Menschen, die nicht mehr auf sich achten.
    «Das is gut», sagte sie und tastete sich zu ihrem Sessel vor. «Rauchen is schlimm. Schrecklicher Tod.»
    Neben sich entdeckte Jeffrey einen Stapel der Zeitschrift
Guns & Ammunition
, daneben lagen Heftchen mit noch weniger jugendfreiem Inhalt. Jeffrey sah die alte Frau an und fragte sich, ob sie wusste, dass sie weniger als einen Meter neben der
Penthouse
-Weihnachtsausgabe von 1978 stand.
    Sie sagte: «Setzen Sie sich nur, wenn Sie ’n Platz finden. Das Zeug können Sie einfach wegschieben. Mein Luke hat immer hier gesessen und mir vorgelesen.» Sie tastete hinter sich nach dem Sessel. Jeffrey nahm sie am Ellbogen und half ihr, sich zu setzen. «Ich mag das
National Geographic
. Das
Reader’s Digest
wird mir auf die alten Tage ’n bisschen zu freizügig.»
    Er fragte: «Kommt denn jemand zu Ihnen, der Ihnen

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