Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
hilft?»
    «Nur Luke», sagte sie. «Seine Mutter is mit ’nem Vertreter abgehauen. Sein Daddy, Ernest, das war mein Jüngster. Na ja, aus dem is nie was geworden. Is im Gefängnis gestorben.»
    «Das tut mir Leid», sagte Jeffrey und stakste über den klebrigen Teppich. Als er den Stuhl sah, blieb er lieber stehen.
    «Sie entschuldigen sich aber für ’ne Menge, wofür Sie nix können», sagte die Frau und tastete auf dem Tisch herum. Jeffrey sah den Teller mit Keksen und fragte sich, wie sie die ohne Zähne aß. Als sie sich einen Keks in den Mund steckte, begriff er, dass sie sie lutschte.
    Mit dem Mund voll Krümel redete sie weiter. «Seit zwei Tagen geht das Kabelfernsehen nich mehr. Ich bin fuchsteufelswild gewesen – mitten in meiner Lieblingssendung hat das Ding den Geist aufgegeben.»
    Jeffrey wollte wieder sagen, dass es ihm Leid tat, aber er beherrschte sich. «Können Sie mir von Ihrem Enkel erzählen?»
    «Oh, er war ’n guter Junge», sagte sie, ihr stoppeliges Kinn zitterte. «Is er noch beim Bestatter?»
    «Ich weiß nicht. Ich glaube schon.»
    «Weiß nich mal, wo ich das Geld für seine Beerdigung hernehmen soll. Ich hab doch nur die Sozialhilfe und das bisschen von der Spinnerei.»
    «Haben Sie dort gearbeitet?»
    «Bis ich nix mehr sehen konnte», sagte sie und schnalzte mit der Zunge. Sie schwieg einen kurzen Moment, dann schluckte sie den aufgeweichten Keks hinunter. «Das war vor vier, fünf Jahren, schätz ich.»
    Sie sah aus, als ob sie achtzig wäre, aber wenn sie bis vor kurzem in der Spinnerei gearbeitet hatte, konnte sie noch nicht so alt sein.
    «Luke wollte, dass ich mich operieren lass», sie zeigte auf ihre Augen. «Aber ich hab kein Vertrauen zu den Ärzten. Ich war noch nie im Krankenhaus. Bin nich mal ineinem geboren», erklärte sie stolz. «Ich sag immer, nimm hin, was Gott für dich bereithält.»
    «Das ist eine gute Einstellung», sagte Jeffrey, auch wenn er nicht überzeugt war, ob dass auch für grauen Star galt.
    «Hat sich um mich gekümmert, der Junge, o ja», sagte die alte Frau. Sie nahm sich noch einen Keks. Jeffrey betrachtete die kleine Küchenzeile und fragte sich, ob das alles an Lebensmitteln war, was die Frau im Haus hatte.
    «Sagen Sie, war Luke vielleicht in irgendwas verwickelt? Vielleicht hatte er mit den falschen Leuten zu tun?»
    «Hat bei den Leuten die Dachrinnen sauber gemacht und die Fenster geputzt. So hat er sein Geld verdient. Mit ehrlicher Arbeit.»
    «Verstehe.»
    «Er hatte auch schon mal Schwierigkeiten mit dem Gesetz, aber welcher Junge hat das nich? War immer irgendwas, aber der Sheriff is immer fair gewesen. Luke hat es den Leuten zurückgezahlt, und damit hatte es sich.» Sie steckte sich den Keks in den Mund. «Ich hätt so gern gesehen, wenn er ’n nettes Mädchen gefunden hätte, mein Luke. Das Einzige, was ihm gefehlt hat, war eine, die sich um ihn kümmert.»
    Jeffrey vermutete, Luke Swan hatte sehr viel mehr gefehlt als das, aber er behielt seine Meinung für sich.
    «Ich hab gehört, dass er was mit der Frau von diesem Hilfssheriff hatte.»
    «Ja, das sagt man.»
    «Hat immer ein Händchen für Frauen gehabt.» Aus irgendeinem Grund fand sie die Tatsache urkomisch. Sie klopfte sich auf die Knie, und Jeffrey sah ihr blankes Zahnfleisch und den Keks in ihrem Mund, als sie lachte.
    Als sie fertig war, fragte er: «Hat er hier bei Ihnen gewohnt?»
    «Dahinten. Ich hab hier auf dem Sofa geschlafen oder manchmal im Sessel. Ich kann überall schlafen. Als ich klein war, hab ich da draußen auf dem Baum geschlafen. Mein Daddy is manchmal rausgekommen und hat gebrüllt: ‹Mädel, komm endlich vom Baum runter›, aber davon bin ich nich mal aufgewacht.» Sie schmatzte. «Wollen Sie sein Zimmer sehen? Das wollte der andere Hilfssheriff auch.»
    «Welcher Hilfssheriff?»
    «Reggie Ray», sagte sie. «Guter Junge. Manchmal singt er im Kirchenchor. Ich schwör’s, der Junge hat ’ne Stimme wie ’n Engel.»
    Jeffrey fragte sich, warum Reggie nicht erzählt hatte, dass er bei Luke Swan zu Hause gewesen war. Reggie arbeitete für den Sheriff und der Besuch war Routine, aber Jeffrey wunderte sich doch.
    Er fragte: «Hat Reggie was gefunden?»
    «Nich dass ich wüsste», sagte Sie. «Sie können gerne selbst nachschauen.»
    «Vielen Dank», sagte Jeffrey und tätschelte ihren Arm, bevor er in den hinteren Teil des Trailers ging.
    Er musste die Schiebetür zum Bad schließen, um nach hinten zu kommen, doch zuvor blickte Jeffrey in das

Weitere Kostenlose Bücher