Schattenblume
kommen. An dem Tag, als Julia mit der verdammten Kette auftauchte und glaubte, sie hätte endlich jemand gefunden, der sie liebte, hatten sich alle das Maul zerrissen. Der armeTrottel hatte sich wahrscheinlich ins Hemd gemacht, als sie anfing, damit hausieren zu gehen.
Vielleicht hatte der Kerl Mitleid mit ihr bekommen, als ihm auffiel, dass sie nicht so viel Spaß hatte wie er, wenn er in ihrem Mund kam. Aber wer konnte schon von sich behaupten, noch nie mit einer Frau geschlafen zu haben, die nicht gerade wahnsinnig scharf darauf war? Trotz seines Vollrauschs neulich Nacht hatte Jeffrey gewusst, dass Sara keine Lust hatte, aber er hatte sie doch dazu überredet. So verzweifelt hatte er die Erlösung gebraucht – diesen Moment, in dem alles gut zu sein schien –, dass ihm egal gewesen war, ob sie ihm nur einen Gefallen tat.
So hatte es Julia Kendall immer genannt, einen Gefallen. Jeffrey erinnerte sich noch an ihren Blick, als sie mit der billigen Kette herumspielte und fragte: «Hey, Slick, soll ich dir einen Gefallen tun?»
Vor dem Höhleneingang blieb Jeffrey stehen. Die Bretter waren rausgerissen worden, wahrscheinlich als Hoss das Skelett rausgeholt hatte. Julias Skelett. Jeffrey zögerte. Die Höhle war nun ein Grab und nicht mehr das Refugium seiner Jugend. Er ging hinein, denn im Moment konnte er sich keinen passenderen Ort für sich vorstellen.
In der Höhle setzte er sich auf die Bank und dachte wieder an Sara. Sie hielt ihn für schuldig, und warum auch nicht? Die Dinge, die sie von den Leuten hier hörte, waren schrecklich – und manches davon war wahr. Gott allein wusste, was Nell ihr im Moment für neue Flausen in den Kopf setzte. Damals, als Julia verschwand, war Nell plötzlich anders zu ihm gewesen. Sie hatte sich zurückgezogen, als vertraue sie ihm nicht mehr. Drei Wochen vor der Abschlussfeier hatte sie dann in der Turnhalle mit ihm Schluss gemacht. Sie hatte ihn angeschrien wie einenHund. Mann, wie hatte sie ihn gehasst an jenem Tag. Jeffrey wusste bis heute nicht, was er eigentlich verbrochen hatte.
Er war aus der Turnhalle gestürmt und mit Julia zusammengestoßen. Sie war erst seit kurzem zurück und sollte ihrer Mutter mit dem neugeborenen Baby helfen. Lane Kendalls Mann war tot, und Lane brauchte jede Hilfe, die sie kriegen konnte. Trotz der Verleumdungen im Jahr zuvor hatte Julia ihn nach dem Zusammenstoß vor der Turnhallentür gefragt, ob sie ihm einen Gefallen tun solle. «Warum nicht», hatte er gesagt.
Die Vergewaltigungsgerüchte waren verebbt, nachdem Julia zum ersten Mal die Stadt verlassen hatte. Es hatte ohnehin keiner daran geglaubt. Julia hatte mit zu vielen Jungs hier geschlafen, als dass sich die Leute vorstellen konnten, jemand hätte sie dazu zwingen müssen. Warum sollte jemand Gewalt anwenden, wenn er das Gleiche auch auf die sanfte Tour kriegen konnte?
«Tut mir Leid wegen damals», erklärte Julia, als sie ihm durch den Wald zur Höhle folgte. «Ich wollte euch nicht in Schwierigkeiten bringen.»
«Du hast uns nicht in Schwierigkeiten gebracht.»
Sie lachte. «Das glaube ich», sagte sie. «Der alte Hoss kann es nicht ausstehen, wenn euch jemand was anhängen will.»
Jeffrey antwortete nicht. Sie hatten die Höhle erreicht, und er schob die Ranken vor dem Eingang weg.
«Da drin ist es aber dunkel.»
«Willst du, oder willst du nicht?», sagte er und gab ihr einen Schubs. Mit siebzehn hatte Jeffrey die hohe Kunst der Verführung noch nicht erlernt. Verdammt, er hatte nicht mal gelernt, sein Gehirn zu benutzen, wenn sich dasBlut in seinem Körper an der einen Stelle staute. Damals vor der Höhle, mit der Aussicht, dass Julia in wenigen Minuten die eine Sache machen würde, die Nell nicht machte, war seine Hose so eng, dass er sich kaum rühren konnte.
«Bist du noch böse auf mich?», fragte sie und musterte seine Hose mit einem neugierigen Lächeln. «Vielleicht sollte ich lieber nicht da reingehen.»
«Wie du willst», sagte er und ging voraus. Seine Erektion war so schmerzhaft gewesen, dass er überrascht war, noch sprechen zu können.
Jetzt sah sich Jeffrey in der Höhle um und versuchte daran zu denken, wie es mit Sara hier gewesen war. Auf jeden Fall schöner als mit Julia. Julia war ihm schließlich in die Höhle gefolgt, doch nach ein paar Minuten brach sie in Tränen aus und sagte, sie habe ihr Leben versaut. Sie entschuldigte sich nochmal dafür, was sie über Jeffrey und Robert erzählt hatte. Doch Jeffrey wurde wütend, er hatte einen
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