Schattenblume
Sie», unterbrach Nick. Er zeigte auf Molly. «Sondern sie.»
«Moment mal», sagte Lena, als sie endlich begriff, was Molly getan hatte. «Sie geht mit rein?»
Wagner erklärte: «Wir schicken Sie beide als Sanitäter rein. Das ist Ihre Tarnung.»
«Sie haben doch gesagt, dass Barry wahrscheinlich tot ist.»
Molly sah Nick an, als sie sprach. «Ein paar der Kinder könnten verletzt sein. Sara braucht mich vielleicht.»
Nick presste die Lippen zusammen, und Lena wunderte sich, wieso er so heftig reagierte. Seine Einwände schienen privater, nicht beruflicher Natur zu sein.
«Nur für die Akten», sagte Wagner. «Ich war unschlüssig, was Sie angeht, Detective Adams, aber Nicky hat mir versichert, dass Sie der Aufgabe gewachsen sind.»
Lena verbiss sich eine trotzige Bemerkung. Sie schluckte ihren Stolz hinunter und sagte: «Wenn Sie sich nicht sicher sind …» Sie versuchte Worte zu finden, doch sie musste gegen ihre Gefühle kämpfte. «Wenn Sie glauben, dass jemand anders besser geeignet ist, trete ich zurück.»
«Genau das ist das Problem», antwortete Wagner. «Es ist niemand besser geeignet. Wenn ich einen meiner Jungs schicke, wissen die Schützen genau, was los ist. Ich glaube, die beste Vorgehensweise ist, Sie beide reinzuschicken. Mit Frauen haben sie weniger Probleme.»
«Oder sie nehmen euch beide ebenfalls als Geiseln», warf Nick ein. «Oder erschießen euch einfach.»
«Er hat Recht», sagte Wagner. «Wir können nichts tun, um sie daran zu hindern.» Sie verschränkte die Arme vor der Brust. «Wollen Sie immer noch unbedingt da rein?»
Lena zögerte nicht. «Ja.»
Jetzt richteten sich alle Blicke auf Molly.
«Ms. Stoddard?», fragte Wagner.
Molly tauschte einen Blick mit Nick aus. «Ja.»
Wagner sagte: «Ihre Entschlossenheit scheint ein wenig nachgelassen zu haben.»
«Nein.» Molly stand auf. «Ich bin bereit.»
14.15 Uhr
Lena wusch sich im Waschraum des Grant County Medical Center die Hände. Sie zitterten, aber das war nichts Neues. Seit ihrer Entführung vor zwei Jahren zitterten ihre Hände immer wieder einmal. Manchmal dachte Lena, es lag an den Verletzungen, doch die Ärzte versicherten ihr, dass die Nerven nicht beschädigt worden seien.
«Alles in Ordnung?», fragte Molly Stoddard. Sie sah Lenas Hände an.
«Alles bestens», sagte Lena und riss ein Papierhandtuch von der Rolle.
«Es ist normal, nervös zu sein», sagte Molly. «Ehrlich gesagt ist es mir sogar lieber, wenn Sie auch nervös sind.»
«Na dann», gab Lena zurück. Sie nahm sich die Sanitäteruniform vom Waschtisch und ging in eine der Kabinen, um sich umzuziehen.
«Ich bin jedenfalls nervös», sagte Molly. Als Lena immer noch nicht antwortete, seufzte sie: «Na gut.»
Lena zog die Jacke aus und hängte sie an den Haken ander Kabinentür. Als sie sich die Bluse aufknöpfte, klopfte es an die Tür des Waschraums.
Nick Shelton rief: «Seid ihr angezogen?»
Molly rief ja, Lena nein.
«Entschuldigung», sagte Molly, doch Lena hörte, dass Nick schon im Raum war. Sie setzte sich auf den Klodeckel. Sie wollte nicht nackt sein, wenn er im Raum war, selbst wenn sie hinter einer geschlossenen Kabinentür stand.
«Ich wollte nur sagen …», begann Nick unsicher, «ich wollte nur …»
«Es wird schon klappen», beruhigte ihn Molly, als wüsste sie genau, was er auf dem Herzen hatte. Lena spähte durch den Türspalt und sah, dass Molly Nicks Wange streichelte. «Mir wird schon nichts passieren», flüsterte sie.
«Du musst das nicht tun», sagte Nick.
«Wenn ich da drin wäre, würde Sara –»
«Sara hat keine zwei Kinder zu Hause, und genau das würde sie dir jetzt auch sagen, wenn sie könnte.»
Molly sah in Lenas Richtung, und Lena stand auf, um sich weiter umzuziehen, damit die beiden nicht dachten, sie beobachtete sie. Sie ließ ihre Hose auf den Boden gleiten und hörte ein gedämpftes Klappern, als das Taschenmesser, das sie immer in der hinteren Hosentasche hatte, auf die Fliesen fiel. Lena spähte durch den Spalt, um sich zu vergewissern, dass Molly und Nick nichts gesehen hatten. Sie flüsterten immer noch, als wäre es ihnen völlig egal, dass Lena kaum einen Meter neben ihnen stand. Offensichtlich wollte Nick nicht, dass Molly in das Gebäude ging. Lena konnte es ihm nicht verübeln. Es gab keine Garantie, dass die Schützen sie nicht auch als Geiseln nahmen.
Lena öffnete das Klappmesser und strich über die scharfe Klinge. Das Messer war kaum acht Zentimeter
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