Schattenblume
«Verstehe.»
«Wir tun wohl am besten so, als hättest du nicht gesagt, was du gestern Nacht gesagt hast, bevor …», sie warf eine Hand in die Luft, «… bevor die Katastrophe hereingebrochen ist.»
«Nein», unterbrach er sie. «Ich habe es ernst gemeint», sagte er, und sie glaubte ihm.
«Dann erklär mir», bat sie, «warum Reggie dir nicht vertraut.»
Regentropfen begannen auf das Laubdach zu prasseln, und als Sara hinaufsah, brach unvermittelt das Unwetter los. In wenigen Sekunden waren sie beide bis auf die Knochen durchnässt. Es schüttete so stark, dass Sara nach Jeffreys Hand griff, um ihn nicht zu verlieren.
«Hier lang», rief er durch das Prasseln. Er lief zügig voran, dann begann er zu rennen, als ein Blitz den Himmel zerriss. Die hohen Bäume um sie herum, die eben noch so majestätisch gewirkt hatten, waren nur noch riesige Blitzmagneten, und Sara schloss sich seinem Tempo an. Sie hoffte, sie fanden einen Unterstand, bevor der Sturm noch schlimmer wurde.
Der Himmel verdunkelte sich, und gerade als Sara hinaufsah, zog Jeffrey sie hinunter in die Hocke. Vorsichtig schob er ein Dickicht aus Schlingpflanzen und ein paar alte modrige Bretter zur Seite, dann führte er sie in den etwa einen Meter breiten Eingang einer Höhle. Drinnen war die Luft fast kalt, und sie legte die Hand auf die felsige Decke, um sich zu orientieren. Selbst in der Hocke stieß sie mit dem Kopf an. Sie machte sich noch kleiner und streckte die Hand aus, um ihre Umgebung zu ertasten, während Jeffrey sie tiefer in die Höhle zog. Rechts und links war nur Finsternis, doch plötzlich stieg die Decke über ihnen an, und sie konnte sich ein wenig aufrichten. Nur den Kopf musste sie noch einziehen.
Das Prasseln des Regens war jetzt nur noch gedämpft zu hören. Durch das Gestrüpp und die Bretter am Eingang fiel gerade so viel Licht, dass sie nicht vollkommen im Dunkeln standen, doch das machte es nicht besser. Selbst als sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnten, konnte sie das Ende der Höhle nicht sehen.
«Alles in Ordnung?», fragte Jeffrey.
«Geht schon.» Sara schauderte, nicht nur wegen der Kälte. Sie stützte sich an der Decke ab und kämpfte gegen die Klaustrophobie.
«Mein Gott, stinkt es hier.» Er drängte sich an ihr vorbei und machte sich am Eingang zu schaffen. Dann trat er die Bretter weg, um mehr Licht hereinzulassen, doch es blieb unangenehm finster.
Sara blinzelte und machte schließlich eine Sitzbank aus, die aus einem Auto zu stammen schien. Polster und Federn bohrten sich durch den Kunststoffbezug. Davor stand ein alter Sofatisch, dessen Kanten mit Hanfseil umwickelt waren. An den Stellen, wo Leute ihre Füße aufgestützt hatten, war es abgewetzt. Jeffrey zupfte etwas aus seinem Haar und ging zu der Bank hinüber. Er tastete darunter herum, und dann hörte sie ihn durch das gleichmäßige Rauschen des Regens lachen.
«Alles noch da», sagte er zufrieden.
Sie kam näher, die Dunkelheit beunruhigte sie. Die Luft roch faulig. Sie fragte sich, ob es hier Tiere gab und ob eines vielleicht gerade auf dem Heimweg war und wie sie Schutz vor dem Sturm suchte.
Jeffrey riss ein Streichholz an, und für einen kurzen Moment wurde die Höhle in flackerndes Licht getaucht, bevor das Streichholz zuckend wieder erlosch. Auch Jeffrey stand mit eingezogenem Kopf da. Doch anders als Sara schien er sich hier zu Hause zu fühlen. Es war ihr peinlich, ein solcher Angsthase zu sein. Sara hatte sich nie vor dem Dunkeln gefürchtet, doch dieser enge Raum hatte etwas an sich, das sie beunruhigte.
Er riss das nächste Streichholz an. Wieder brannte es schnell ab und ließ sie in der Finsternis der Höhle zurück. «Wahrscheinlich nass geworden.»
Bevor sie sich zurückhalten konnte, sagte Sara: «Mir gefällt es hier nicht.»
«Das Gewitter ist bald vorbei», beruhigte er sie. Er nahm sie beim Arm und führte sie zu der Bank. «Mach dir keine Sorgen. Wir waren früher nach der Schule immer hier.»
«Warum?» Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand freiwillig hierher kam, um sich wie bei lebendigem Leib begraben zu fühlen. Selbst im Sitzen spürte sie die drückende Decke. Sie griff nach Jeffreys Hand.
«Mach dir keine Sorgen», sagte er noch einmal. Endlich schien er zu merken, dass sie Angst hatte. Er legte den Arm um sie und küsste sie auf die Schläfe.
Sara lehnte sich an ihn. «Wie habt ihr die Höhle gefunden?»
«Wir sind hier in der Nähe des Steinbruchs», erklärte er. «Robert hat die
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