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Schattenbruch

Schattenbruch

Titel: Schattenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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haben.
    Licht und Schatten: ein ewiger Kampf. Am Tag noch hatte das Licht die Oberhand behalten; doch mit der Dämmerung war der Konflikt wieder ausgebrochen, und die Schatten feierten in Varas Gassen den Sieg über ihren Feind. Sie hatten ihn sorgsam vorbereitet: Nachdem sich die Flammenhüter aus weiten Teilen der Stadt zurückgezogen hatten, lagen diese in Finsternis; der blaue Schein der Feuerkörbe war erloschen, die Nacht dunkler, als sie sein sollte. Dies erleichterte den Schatten ihr Werk …
    Geräusche drangen aus der Tiefe, Rasseln und Rattern und Knirschen. Ein altes Räderwerk war unter der Stadt erwacht; und obwohl keine Erschütterung in den Straßen zu spüren war, bahnten sich unheilvolle Kräfte einen Weg an die Oberfläche. Schattenwände hoben sich aus dem Nichts; Gebäude schwollen in undurchdringlicher Schwärze zu Türmen an, schnellten in absurden Winkeln empor. Es war, als ob unsichtbare Hände die Steine und Mauern aus der Dunkelheit hervorzerrten, um Vara eine neue Gestalt zu verleihen.
    Merkten die Bewohner, was mit ihrer Stadt geschah? Jene, die schliefen, hatten Alpträume, wälzten sich in ihren Betten, doch erwachten nicht. Andere irrten durch die Gassen, suchten nach ihren Häusern. Doch sie fanden sich nicht mehr zurecht: die vertrauten Straßen waren entrückt, oder sie hatten sich in enge, schräge Gassen verwandelt. Trotz dieser Veränderungen brach keine Panik aus; niemand wußte, ob er träumte oder wachte, ob der Wandel der Stadt dem eigenen Wahn entsprang oder sich wirklich ereignete, und so warteten die Menschen voller Furcht auf den Morgen.
    Im Palast aber tobte ein anderer Kampf: der Südflügel wurde von kaiserlichen Gardisten gestürmt. Sie brachen die Außentüren auf, verteilten sich mit Gebrüll in den Gängen. Keine Spur von den Arphatern; sie hatten sich im oberen Stockwerk verschanzt, in den Gemächern der Kaiserin. Eine schwere Eichentür versperrte den Zugang. So wurde ein Rammbock herbeigeschleppt; nach wenigen Stößen zerbarst das Holz. Die Kaisertreuen warfen sich mit gezückten Schwertern durch die Öffnung.
    Nun entdeckten sie ihre Gegner, die Anub-Ejan. Diese standen im Kreis um ihre Königin. Grün glommen ihre Säbel; einige von ihnen streckten mit Wurfklingen die ersten Angreifer nieder. Doch die Gardisten waren in der Überzahl; immer mehr von ihnen sprangen durch die zerstörte Tür in den Raum, stürzten sich auf die Mönche, drängten sie zur hinteren Wand zurück; diese blieben dicht bei der Königin, um sie zu verteidigen, wehrten die Schwerthiebe ab, ohne zum Gegenangriff anzusetzen. Dann aber erreichten die Schatten den Palast …
    Im Südflügel erloschen die Lampen und Fackeln; ein Rasseln klang aus der Tiefe, und die Mauern des Palastes klafften auseinander. Das Gebäude zerbrach in zwei Hälften, als hätte sich eine riesige Mauerkelle zwischen die Wände geschoben. Der Riß verlief quer durch den Raum, in dem der Kampf zwischen den Sitharern und Arphatern tobte; er trennte die Kämpfenden voneinander und bahnte den Schatten den Weg. Die Gardisten wichen zurück, brüllten sich widersprüchliche Befehle zu. Zu spät … das Gefolge des Verlieses, schwarz und unbarmherzig, sank auf sie nieder. Sie ließen ihre Waffen fallen, rissen die Hände empor, und ihre Finger gruben sich in die Augenhöhlen - dann lachten sie plötzlich, jauchzten, während sie sich die Augäpfel herausrissen, verzückt von der Schönheit, die ihnen die Blindheit eröffnete …
    Die Arphater hingegen hatten sich an der Wand zusammengedrängt. Ejo, der Schechim der Anub-Ejan, schützte mit seinem Säbel die Königin; er versuchte ruhig zu bleiben, während um ihn die Schatten wüteten. Er konnte kaum etwas erkennen; es war zu dunkel im Raum, doch er hörte das Rasseln aus der Tiefe, das Schaben der Steine, hörte die Wände zur Seite gleiten; und über ihm löste sich das Dach des Palastes auf, faltete sich zusammen wie Pergament! Der Sternenhimmel war nun zu sehen, still und schön; nun erst gewahrte Ejo die Schatten, die durch den Raum wehten wie Grabtücher.
    »Bei Agihor«, flüsterte er. »Saj, Tudi … ihr Götter der Sonne, der Nacht und der Dämmerung, steht uns bei!« Er umgriff seinen Säbel fester. »Dämonenpack! DÄMONENPACK!«
    »Reizt sie nicht!« Inthara legte warnend die Hand auf seine Schulter. »Sie werden uns nichts tun, wenn wir friedlich bleiben.«
    Die Königin hatte das Kästchen gezückt; silbriges Licht wanderte über die Oberfläche und brach

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